Die Zauberquelle
verbeißen.
»Die Aufgabe ist schier übermenschlich«, sagte sie.
»Niemand weiß das besser als ich. Sie sind kleine Wilde und hätten mit sieben Jahren fortgeschickt werden müssen, aber da herrschten, wie Ihr wißt, in diesem Haus sehr wirre Zeiten. Dabei ist die überaus wichtige Aufgabe ihrer Charakterbildung vernachlässigt worden.«
»In wessen Haushalt habt Ihr gedient, Sieur de Vilers?«
»Im Haushalt des Herzogs von Lancaster, Madame de Hauvill, sowohl als Page wie auch als Knappe. Aber, wie Ihr möglicherweise bemerkt habt, hat es ein jüngerer Sohn nicht gerade leicht.« Die Zeit ist reif, sie mit dem Versprechen zu locken, dachte Gilbert.
»Ein jüngerer Sohn?« fragte Madame höflich-erstaunt. Ausgezeichnet, sie hat angebissen, dachte er.
»Der Name de Vilers läßt sich, wie Ihr zweifelsohne wißt, bis auf Wilhelm den Eroberer zurückführen, und er hatte lange vor dessen Zeit schon einen guten Klang. Dieses Haus ist die jüngere Linie. Die Ländereien der Familie liegen in Hertfordshire.« Und was davon noch übrig ist, wurde für den letzten Feldzug so hoch beliehen, daß es mich wundern würde, wenn Hugo überhaupt die Hälfte bleibt, dachte Gilbert im stillen.
»Die Ländereien meines Mannes lagen in Lincolnshire«, sagte die Witwe. Auch sie erwähnte nicht, wie winzig klein der Besitz war, und sie erzählte auch nicht, daß er an einen Vetter gegangen war, der sie augenblicklich vor die Tür gesetzt hatte.
»Vortreffliche Gegend. Ich habe Verwandtschaft in Lincolnshire.«
»Verwandtschaft?«
Und vorsichtig wie zwei Diplomaten, die einen Krieg abwenden wollen, kämpften sie um ihre Positionen, gruben immer entferntere Verwandte aus, bis sie am Ende feststellen konnten, daß sie durch den Paten eines vierten Vetters zweiten Grades miteinander verwandt waren. Gilbert, der Gelehrte, hatte natürlich gewußt, daß es so kommen würde, da die Zahl der Familien von Geblüt im Inselkönigreich so klein war, daß alle irgendwie miteinander verwandt waren, insbesondere wenn man zu den leiblichen Verwandten auch noch die Paten zählte, wie es die Kirche tat. Das war die letzte List, die er anwandte, um Madame einzufangen, damit wieder Ordnung in seine Familie einkehrte.
»Hätte ich das doch nur geahnt«, sagte Madame, legte sich die Hand aufs Herz und atmete tief durch.
»Ich weiß, daß Ihr meine Sorgen nur zu gut versteht«, sagte Gilbert in einem Tonfall, der auf dem schmalen Grat zwischen Heuchelei und Aufrichtigkeit balancierte.
»Ja, solch eine Bürde. Sie dürfen Euch keine Schande machen.«
»Für mich wäre es ein unschätzbarer Segen, wenn Ihr freundlicherweise zustimmen würdet.«
»Sir Gilbert, es ist mir eine Ehre«, sagte Madame auf dem zweitbesten Stuhl und verneigte sich ein ganz klein wenig.
Kapitel 8
S ir Hubert de Vilers plagten gräßliche Zahnschmerzen. Er brüllte seinen Verwalter, seine Knechte und seinen nutzlosen französisierten Sohn Hugo an, doch nichts half. »Wo ist der Zahnwein, den Margaret in der Truhe im Söller verwahrt hat?« knurrte er und stöberte selbst in der Arzneikiste herum. »Lauter Abfall, was sollen diese vertrockneten eingewickelten Dinger hier und diese Schachtel mit Pulver? Pfui, es stinkt! Ich kann mich nicht erinnern, daß vor meinem Aufbruch derlei hier aufbewahrt wurde.«
»Lady Petronillas Kopfschmerzarznei«, sagte ihre alte Kinderfrau und sah Sir Hubert mit besorgter Miene zu. Lady Petronilla strich um die Truhe herum, auch sie war erschrocken, als er sich nach ihrem Inhalt erkundigte.
»Das war Zahnwein?« fragte Lady Petronilla. Sie hatte ihn für ein ›weibliches Stärkungsmittel‹ gehalten und ausgetrunken.
»Der beste überhaupt. Ganz viel Verbene, hat sie gesagt, und noch haufenweise anderes Unkraut, an das ich mich nicht mehr erinnere. Hat jedesmal geholfen. Was sollen die Nadeln da unten in der Truhe? Kaum bin ich aus dem Haus, wird in Brokesford alles verändert. Das wird rückgängig gemacht.«
»Mylord, ich kann Euch eine Arznei gegen Zahnschmerzen zubereiten«, sagte die alte Frau.
»Du? Von dir würde ich nicht einmal für einen Hund eine Arznei annehmen. Bleib du bei deiner Spindel und deiner Ohrenbläserei bei meiner Schwiegertochter. William! WILLIAM! Hol mir die Gevatterin Ann, die weise Frau. Vielleicht richtet die ja etwas aus. Nun, was lungerst du noch herum. Fort mit dir, du nutzloses Weib! Fort!«
»Die Gevatterin Ann hat während Eurer Abwesenheit das Zeitliche gesegnet«, sagte Petronilla mit eiskalter
Weitere Kostenlose Bücher