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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Schreiberlingen? Du hättest hier sein sollen! Was ist das nur für ein Haus, in dem der Hausherr keine Zeit hat, seinen Erzeuger zu empfangen? Ich hätte mir denken können, daß dein verfluchter Magen dir sagt, wann du nach Haus kommen mußt, auch wenn dein Pflichtgefühl es nicht tut!«
    Durch die geöffnete Tür konnte man hören, wie die Männlein von St. Paul's die elfte Stunde schlugen. Eine Stunde nur. In solchen Stunden gestaltet sich das Schicksal neu.

Kapitel 10
    A n diesem Abend tönten aus dem Empfangszimmer unten laute Stimmen. Ich tastete im Bett nach Gilbert und fand eine leere Stelle. Da zog ich den Bettvorhang auf und suchte mir meine Hausschuhe. Die Tür stand offen, von unten kam ein flackernder Lichtstrahl. Malkyn schnarchte auf ihrer Pritsche, aber Lion, der keineswegs Löwengröße, dafür aber ein Löwenherz hat, auch wenn er alt ist, wachte auf, schnaufte verwundert und folgte mir, während ich mir meine große robe de chambre vom Haken über dem Bett holte. Leise schlich ich mich aus dem Raum und segnete den Umstand, daß auf dem Fußboden unserer Schlafkammer wie unten im Empfangszimmer Teppiche lagen und keine knisternden Binsen. Ich folgte dem schwachen Lichtschein und dem Lärm und stieß auf die Mädchen, die splitterfasernackt auf der mittleren Treppenstufe hockten. Sie kuschelten sich unter ihrer Bettdecke aneinander und lauschten still.
    »Mutter«, flüsterte Cecily. »Keinen Mucks. Gleich kommt das Beste.« Ich hockte mich auf die Stufe über ihnen, Lion legte sich mit einem Schnaufer neben mich und schlief wieder ein.
    »Nein, Vater, Ihr habt diesen Besitz lange genug ausgeblutet. Ich habe jetzt einen Sohn, und dem möchte ich etwas hinterlassen.«
    »Und durch wen bist du zu diesem Besitz gekommen? Wer hat dir die anderen Anwärter vom Hals geschafft? Wer hat die Richter bestochen? Wer hat herausgefunden, daß sich die Frau lohnt, und hat sie für dich entführt, ehe ein anderer das hübsche kleine Vermögen des alten Raffzahns in die Finger bekommen konnte? Dafür schuldest du mir etwas!«
    »Eure Bestechungsgelder, alles, habe ich mehr als ein dutzendmal zurückgezahlt, Vater, und immer aus dem Vermögen. Jetzt ist das Bargeld aufgebraucht, und für alles, was sie für Euch – und für mich – getan hat, schuldet Ihr Margaret ein Dach über dem Kopf. Ein Dach, so möchte ich hinzufügen, das der alte Master Kendall ihr sichergestellt hat.«
    »Es ist doch nur eine Hypothek, Bruder. Davon haben wir dutzendweise, und es ist mir völlig einerlei.«
    »Eine Hypothek, die ihr nie zurückzuzahlen gedenkt. Und was wird aus ihr und den Mädchen, wenn mir, Gott behüte, etwas zustoßen sollte?«
    »Ei, ich würde mich um sie kümmern. Das ist meine Pflicht als Familienoberhaupt.«
    »Genau.«
    »Hör zu, Bruder, wenn du das Haus nicht als zusätzliche Sicherheit verpfänden willst, warum bedienst du dich dann nicht bei der Mitgift der beiden Mädchen? Kein Mädchen verdient so viel Geld.« Die Mädchen fröstelten, als wäre ihnen jählings kalt, kuschelten sich tiefer in die Decke und schmiegten sich aneinander.
    »Hugo, ich habe mein Ehrenwort gegeben, für diese Mädchen zu sorgen. Gilt dir mein Versprechen so wenig wie deines? Ein ganzes Jahr Pilgerfahrt, und auf Schritt und Tritt nur gejammert. Außer wenn du mit deinen Märchen von religiöser Ekstase auf Fluren, in Vorzimmern und in den Hurenhäusern von Avignon pu celles nachgestellt hast. Hast du dir auch nur eine einzige Reliquie angesehen?«
    »Nur weil mir der Kardinal einen Ablaßbrief verkauft hat, heißt das noch lange nicht, daß ich nicht genauso fromm bin wie das gemeine Volk, das sich in langen Schlangen vor den Knochen irgendeines Greises auf den Knien suhlt. Bist du etwa kein Heuchler, wenn du anderen Frömmigkeit predigst und dir selbst zu schade bist, von dem vorhandenen Mammon ein wenig für deine notleidende Familie abzuzweigen?«
    »Erzähle das Master Wengrave, ihrem Paten, und alle Amtsträger der Stadt stürzen sich auf dich. Er würde sich sogar an den König wenden, falls du versuchen solltest, den Mädchen die Mitgift wegzunehmen.«
    »Dann verkaufe ihre Heirat. Das ist dein gutes Recht, und es wird ohnedies höchste Zeit. Irgendjemand zahlt dir gewiß ein hübsches Sümmchen, wenn er dadurch die Mitgift in die Finger bekommt.«
    »Mutter!« flüsterten die kleinen Mädchen entsetzt.
    »Psst«, flüsterte ich meinerseits. »Ich erlaube nie und nimmer, daß man euch gegen euren Willen verheiratet. Hört

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