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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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gehabt hätten, ganz zu schweigen davon, was uns der neue Putz kostet, dachte ich, aber weil er mir schon so lange diente, biß ich mir auf die Zunge.
    »Die bleiben uns wohl ein Weilchen erhalten, was?« sagte er, schlenderte zwischen den Binsenbündeln herum und musterte die Männer auf den Leitern. »Wohin soll ich dieses Frauenzimmer, diese Madame setzen, in die Küche oder in den Söller?«
    »Oben – o Grundgütiger!« Es krachte fürchterlich, dann flog die Haustür auf. Metall klirrte, und eine furchterregende gestiefelte, gespornte und gewappnete Gestalt mit flatterndem weißen Haar, wildem grauen Bart und grauen Augenbrauen wie Unkrautbüschel stand staubbedeckt in der Tür.
    »Wo ist der Verwalter? Sag meinem Sohn, daß wir da sind! Junge, führ die Pferde in den Stall. Was soll der ganze Aufstand hier? Margaret, das verdanken wir gewißlich Euch!« Die Stukkateure hörten auf zu arbeiten. Alle Augen richteten sich auf die grimmige Gestalt an der Tür. Mir sank das Herz in die Schuhe. Der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Mein Schwiegervater auf Überraschungsbesuch.
    »MARGARET, WO IST MEIN SOHN?« brüllte er, als hätte ich den irgendwo versteckt. Gilbert behauptet, er brüllt, weil er zu viele Hiebe auf den Helm bekommen hat und davon taub geworden ist, aber ich glaube, er brüllt, weil er dann Raum um sich schafft. Und Furcht und Schrecken verbreitet.
    »Mein Herr Gemahl ist beim Illuminator«, antwortete ich und blickte ihm in die Augen, ohne mit der Wimper zu zucken. Er hatte ein halbes Dutzend seiner Lieblingshunde mitgebracht, riesige gescheckte Kreaturen mit großen Köpfen und Schlabberbacken, die kamen jetzt ins Haus gesprungen und schnauften und schnüffelten in allen Ecken herum. Die Stukkateure blieben vorsichtshalber oben auf ihren Leitern.
    »Beim was? Unfug das Ganze. Wieso treibt er sich da herum? Achtundzwanzig, schon fast in mittleren Jahren – und hat es noch immer zu nichts gebracht. DREIMAL in Frankreich gekämpft, die Zeit, die er mit Studieren totgeschlagen und es nur zu einem GOTTSERBÄRMLICHEN Schreiberling gebracht hat, nicht mitgerechnet, und KEIN EINZIGES MAL IN DER SCHLACHT VERWUNDET! Und was stößt ihm diesmal zu? Läßt sich vom Blitz treffen und gerät unter sein Pferd! Inzwischen dürfte er wieder auf dem Damm sein! Sollte mit dem Herzog in Frankreich sein und sich nicht mit Illuminatoren und Gauklern und wer weiß was für ABSCHAUM herumtreiben!« Ich sah Hugo, Gilberts älteren Bruder, am Türpfosten lehnen, er hatte die Arme verschränkt und genoß die Beschimpfung sichtlich. Er sah noch französischer aus als üblich, trug einen albernen blaugefärbten Biberhut mit schmaler Krempe und einem großen Büschel Pfauenfedern, die von einer kleinen goldenen Agraffe gehalten wurden. Die Spitzen seiner Schnabelschuhe waren noch länger geworden, und der modisch gezaddelte Saum seiner Schecke war so kurz, daß sein Hintern darunter hervorschaute. Dazu trug er Beinlinge in Miparti. Ich wußte ganz genau, daß der alte Mann das Miparti verabscheute. Seiner Meinung nach war es für Gaukler erfunden worden.
    »Er stellt für die Rückkehr des Herzogs ein Manuskript fertig. Der Herzog hat ein theologisches Buch geschrieben«, erwiderte ich. Ich konnte es nicht lassen. Soviel Unbill an einem einzigen Tag, da mußte ich einfach in das Wespennest stechen.
    »Theo-was?« Der alte Mann erstickte fast. »Sogar der Herzog schreibt jetzt schon über Gott? Ich sage Euch, daran ist Gilbert schuld. Er hat einen verderblichen Einfluß.«
    »Sündenbekenntnisse oder Gebete?« erkundigte sich Hugo sofort interessiert, denn er hatte ein gutes Gespür für die neueste Modewelle.
    »Bekenntnisse. Und Klagelieder über seine Sünden, die er den einzelnen Gliedmaßen des Körpers zuordnet.«
    »Ha. Das riecht mir ganz nach Gilberts Einfluß. So wahr ich lebe, der Junge ist ansteckend«, sagte Sir Hubert und schüttelte entgeistert den Kopf.
    »Vater, Theologie ist dieser Tage in höchsten Kreisen die große Mode. Ich habe auch schon überlegt, ob ich ein Buch mit Sündenbekenntnissen verfassen soll. Nachdem ich meine Gedichte habe niederschreiben lassen.« Typisch Hugo, er weiß genau, wie er den alten Mann zur Weißglut bringen kann. Zuviel Zeit zusammen. Armer Hugo; dreißig Jahre alt und noch immer nicht flügge. Das beklagenswerte Los des ältesten Sohnes, der in Abhängigkeit lebt und endlos auf sein Erbe warten muß.
    »DU! BEKENNTNISSE? Nicht nur daß du Beinlinge in Miparti

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