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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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beliefern.«
    O je, Margaret, dachte ich bei mir. Aber wer Geschäfte mit dem Gottseibeiuns gemacht hat, der sollte auch diesen Streit beilegen können. Doch wie es in der Regel den Friedensstiftern widerfährt, die sich zwischen die Streitenden werfen, bekam ich die Schuld zugeschoben. Man befand also, daß ich nach Frauenart beiden Gruppen falsche Termine gegeben hätte, und ich konnte die Binsenmänner nur mit größter Mühe dazu bewegen, die Binsenbündel mitten in der Diele zu stapeln, wo sie beim Wändeweißen nicht im Wege waren, und die Maler, die anderen als erste hineinzulassen, was ich damit begründete, daß sie dann am schnellsten wieder verschwunden wären.
    »Die Wand hier«, fragte Adam le Stukkateur hoch oben auf seiner Leiter, »wer mag die verputzt haben? Der Bewurf fällt ja in großen Brocken heraus. Ei, hier sieht man fast schon das Mauerwerk! Der Bewurf ist falsch angemischt worden. Wen hattet Ihr denn damit beauftragt?«
    »Das war lange vor meiner Zeit«, sagte ich. Ich stand unten an der Holztäfelung, welche die Diele ringsum säumt, und hob den Kopf zu den Dachsparren.
    »Ah, ja, daher der Name Hase. Ihr habt viel zu lange gewartet. Das hier kann dauern, da ist mehr zu tun als nur Weißen.« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und kratzte am Putz, wo ich an ihn heranreichte. Und siehe da, er bröckelte in großen, feuchten Flatschen.
    »Vielleicht kommt es von der Feuchtigkeit«, rief Master Adam von der Leiter herunter. »Ihr könntet im Dach eine undichte Stelle haben, die man nicht sieht. Ihr müßt einen Dachdecker hinzuziehen, sonst ist der neue Verputz für die Katz. Ich kann nicht Weißen, ehe ich die Wand nicht neu verputzt habe.« Also nicht ein Tag Durcheinander, sondern Wochen. Und teurer wurde es natürlich auch.
    Madame kam in Begleitung der Mädchen die Treppe herunter. Unter ihrer Anleitung machten beide Mädchen einen tiefen Knicks und begrüßten mich als »Madame, unsere verehrte Mutter«. Oh, diese guten Manieren. Das Dumme daran ist, wenn andere sie haben, muß man sich selbst auch daran halten. Ich erteilte beiden meinen Segen und erkundigte mich nach ihren Fortschritten.
    »Madame de Vilers«, sagte Madame Agathe, während sie das Durcheinander musterte und zierlich über die Binsenbündel hinwegstieg, »heute findet unser Unterricht im Freien statt.« Sie hatte einen großen Korb am Arm. »Wir lernen den Teppichstich und befassen uns noch einmal mit den wünschenswerten Tischmanieren. Und was haben wir heute schon gelernt, Mademoiselle Alison?«
    »Ein Mensch mit guter Kinderstube wischt sich nie die Hände am Tischtuch ab und putzt sich die Nase auch nicht mit der Hand, mit der er Fleisch nimmt.«
    »Vortrefflich«, sagte ich. »Madame, Ihr habt in diesen paar Wochen Wunder vollbracht.«
    »Und jetzt, Mesdemoiselles, müßt Ihr Eurer Frau Mutter höflich für ihr Interesse an euren Fortschritten danken.« Die Mädchen warfen einander vielsagende Blicke zu, dann neigte jede den Kopf genauso tief wie Madame.
    »Seid bedankt, Madame Mutter«, zwitscherten sie spöttischhöflich im Chor. Madame wandte sich zum Gehen, nein, sie drehte sich mit geradem Rücken, als wäre sie geölt. Sie taten es ihr nach. Madame ging nicht, sie glitt, als liefe sie auf Rollen. Und während sie entglitt, glitten die Mädchen mit erhobenem Haupt und geradem Rücken hinter ihr her, ahmten sie vollendet nach. Erst als sie hinter dem Küchenschirm verschwunden war, wandten sie den Kopf, um zu sehen, welchen Eindruck sie gemacht hatten, und in ihren Augen blitzte der Schalk.
    »Solche Mädchen bekommt man nicht oft zu sehen«, hörte ich einen der Stukkateure sagen. »Wie echte Ladys, und dabei noch so jung.«
    Wenn du wüßtest, dachte ich. Gott sei Dank zahlen die Burgunder für alles. Durch das geöffnete Fenster fiel heller Sonnenschein ins Zimmer und ließ die schimmernden Stäubchen tanzen, und von St. Paul's schlugen die Männlein die Stunde: zehn Uhr morgens. Noch eine Stunde, und es war Essenszeit.
    »Dame Margaret, wo sollen wir aufdecken?« Ich war mit meinen Gedanken woanders und hatte Perkyn nicht bemerkt, der jetzt neben mir stand. Schon war aus der Küche Gepolter und Geklapper zu hören, die Schragentische für das Gesinde wurden aufgestellt.
    »Für die Familie? Im Söller…«
    »Ganz schön staubig hier«, meinte der alte Mann. »Wände sollte man immer gleich zu Frühlingsanfang weißen. Dann liegt noch nicht so viel Staub.« Als ob wir zu der Zeit einen roten Heller

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