Die Zauberquelle
bedenke, war das schon immer so. Setz dich dorthin, Gilbert, und schreib das Stück Papier da ab. Ich brauche fünfzig Stück, und du hast eine hübsche Handschrift. Und während du kopierst, kannst du mir alles erzählen. Es gibt kaum ein Problem auf der Welt, das sich nicht mittels eines wahrhaft scharfen Verstandes lösen läßt.«
Gilbert setzte sich an den Arbeitstisch unter das Bord, auf dem Bruder Malachis recht beachtliche alchimistische Bibliothek stand, insgesamt fünfzehn Bände, und alles seltene und verbotene Bücher. Auf dem Tisch befanden sich ein Generalablaß, ein Stapel unbeschriebenes Papier, eine Flasche Tinte, ein Federmesser, Sand und eine Reihe Federkiele. Ein schmales Lächeln huschte über Gilberts langes sorgenvolles Gesicht, als er das Papier sah, das er abschreiben sollte.
»Immer noch Geschäfte mit gefälschten Ablaßbriefen? Ganz wie in alten Zeiten.« Er prüfte die Federkiele, suchte sich den passendsten aus, entstöpselte die Tintenflasche und fing an zu schreiben. Für mich grenzt es ans Wunderbare, wie er seine großen Hände so exakt bewegen kann, daß sie die zierlichen und verschlungenen Schriftzeichen mit der Feder formen können. Das machte wohl die Übung. Seine Mutter hatte ihn ja von Anfang an für die Kirche vorgesehen.
»Zu deinem Glück. Ich komme gerade aus der Kathedrale von Lincoln und habe den dortigen Kanonikus mit meiner päpstlichen Bulle tief beeindruckt – sie war nämlich so kunstgerecht versiegelt. Er hat mich ins Domarchiv gelassen, weil ich geschichtliches Interesse vorgetäuscht habe, und während ich die Chroniken durchgegangen bin, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, mir einige echte Schätze zu zeigen. Ich habe die Abdrücke in feuchtes Moos gebettet und bin auf dem schnellsten Weg nach Haus geeilt, ehe sie in der Hitze schmelzen konnten.«
»Wir sitzen tief in der Tinte«, sagte Gilbert, ohne sich beim Schreiben stören zu lassen. »Dank Vater, wie üblich. Er möchte, daß ich das Haus als Sicherheit für eine Anleihe bei den Lombarden verpfände, mit der er einen Richter in einem Rechtsstreit bestechen will, in den er verwickelt ist.«
»Warum verpfändet er nicht sein eigenes Land?«
»Genau da liegt das Problem. Das einzige Stück Land, das noch nicht beliehen ist, ist genau das, worum es geht und um dessentwillen er den Richter bestechen will. Die Lombarden sind wohl der Ansicht, daß derlei keine ausreichende Sicherheit ist.«
»Und jetzt will er die Heirat der Mädchen verkaufen«, sagte ich hinzu.
»Margaret, Margaret, wir verkaufen deine Mädchen schon nicht. Mein Hirn arbeitet bereits«, sagte Malachi und stellte die Gußformen zum Abkühlen auf die Werkbank. »Aber wo steckt Sim, der Halunke? Hilde ist schon seit zwei Tagen fort, hilft bei einer schwierigen Geburt in der Bishopsgate Street, und ich bin am Verhungern ohne ihre Kochkunst. Ich schicke also den Jungen in die Garküche, daß er ein, zwei Bratvögel holt, aber er taucht nicht wieder auf. Wahrscheinlich würfelt er an der Straßenecke.«
»Ich sehe nach, was Mutter Hilde dir dagelassen hat, Bruder Malachi«, sagte ich. Aber auf der Diele fand ich nur einen halben Laib altbackenes Brot in der Lade und begab mich auf die Suche in den Garten. Dort stellte ich fest, daß sich Bruder Malachi nicht die Mühe gemacht hatte, den brütenden Hühnern an diesem Morgen die Eier fortzunehmen, und Zwiebeln und Petersilie sahen auch gut aus. Also machte ich mich an die Zubereitung von gebähtem Brot, und während das am Feuer röstete und ich die Eier mit Zwiebeln und Petersilie verschlug und Rührei zubereitete und Gilbert kopierte und sich beklagte, ruhte Bruder Malachi seinen beeindruckenden Leib auf der Bank im Laboratorium aus und strengte sein Hirn an. Die Zeichen von Hirntätigkeit sind bei ihm klar zu erkennen. Zunächst wird sein fröhliches rosiges Gesicht ganz feierlich. Wenn es sich um ein schwieriges Problem handelt, erscheinen Falten zwischen seinen Brauen und er macht: »Ha! Hm!« Alsdann pocht er sacht an seinen Kopf, damit ihm von der Mühewaltung nicht das Hirn gerinnt. Während ich kochte, kamen eine Menge »Ha's« und »Hm's« aus dem Laboratorium, daher wußte ich, daß sich die Sache gut anließ.
»Hm, Margaret, das riecht aber gut. Gilbert, leg die Arbeit fürs erste beiseite. Mein Hirn welkt dahin. Ich spüre, wie es jählings nachläßt. Es braucht Nahrung.«
Während wir Malachis und unser eigenes Hirn speisten, wurden wir schon viel munterer.
»Also,
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