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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Teufel gewesen ist, würden es alle wissen. Sie hätten den Leichnam fortschaffen müssen, nicht wahr?« sagte Madame, die einen gesunden Menschenverstand besaß.
    »Sie hat die Wehmutter sagen hören ›das ist gar kein Kind‹. Den Rest kann sie sich auch eingebildet haben. Dame Agathe, ich glaube, es war ein Windkind.«

Kapitel 14
    G leich hinter dem Malzhaus der Burg befindet sich ein kleiner Kräuter- und Rosengarten, den ich bei meinem ersten Besuch hier arg vernachlässigt vorgefunden und wieder hergerichtet habe. Eines schönen Sommermorgens war ich dabei, die Schäden an den Überbleibseln meines früheren Fleißes zu beheben, und hatte die Kinder mitgenommen, weil ich ihnen zeigen wollte, was mich Mutter Hilde an Weisheiten über Pflanzen gelehrt hat. Am Himmel zogen weiße Wolken dahin, und wenn eine vor der Sonne war, legte sich ein Schatten über das Gärtlein, doch er zog weiter, und dann schien wieder die Sonne.
    »Oh, seht nur, wie groß der Salbei geworden ist. Er hilft gegen Melancholie und Schweißfieber.« Peregrine in seinem Kinderkittel und mit den alten Beinlingen, die an den Knöcheln abgeschnitten waren, buddelte begeistert neben den Schwarzwurzeln, die sich ausgesät hatten und im großen Büschel wuchsen. Er drehte und wendete jedes Steinchen, musterte jeden Wurm und jeden Käfer sehr angelegentlich, wenn der auf vielen Beinen davonhastete.
    »Das hier ist Schwarzkümmel, Mama«, sagte Alison, brach ein Zweiglein ab und kaute darauf herum. Sie war barfuß, hatte nur einen Sommerkittel an, und ihr rotgoldenes Haar fiel ihr schimmernd über den Rücken. Eines Tages ist sie eine Schönheit, dachte ich.
    »Ich auch«, sagte Peregrine und sah hoch, und Alison brach ihm auch ein Zweiglein ab.
    »Der wächst hier, weil die Sonne die Mauer an dieser Stelle wärmt«, sagte ich.
    »Mutter Hilde unterhält sich mit ihren Pflanzen«, sagte Cecily. »Wachsen sie bei ihr deswegen besser als bei anderen Leuten?«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich kann sich jeder mit seinen Pflanzen unterhalten, aber das heißt noch lange nicht, daß die Pflanzen auch zuhören. Darum ist Mutter Hilde ja auch so anders. Sie kann mit allem und jedem reden und wird verstanden.« Bei diesen Worten machte ich mich daran, eine Ranke, die vom Spalier heruntergefallen war und auf der Erde entlangwucherte, wieder hochzubinden.
    »Seht mal, die Wolken«, sagte Alison und zeigte nach oben. »Sie sehen wie Sachen aus. Da. Das ist eine gebratene Ente, das ein Berg Haferplätzchen und das da ein Bienenkorb.«
    »Ich sehe in der großen über uns ein Pferd und einen Löwen«, sagte Cecily.
    »Nein, das sind die Haferplätzchen.«
    »Ich seh' eine grüne Frau«, sagte Peregrine.
    »Wolken sind nicht grün«, sagte Alison.
    »Die Frau iss aber grün«, sagte Peregrine. »Ihr Kleid iss pitsche-patsche-naß. Die Kinderfrau muß ihr ein trockenes holen.«
    »Und reitet sie auf einem rosa Pferd mit Flügeln?«
    »Nein, sie hat kein Pferdchen, aber dreckige Schuh, und z'ischen ihren Zehen sch-immen Fische.«
    »Wenn sie Schuhe anhat, kann man ihre Zehen nicht sehen«, sagte Cecily.
    »Doch«, sagte Peregrine und buddelte schon wieder mit der Gartenschaufel in der Erde herum. Ein Schatten schien sich über uns zu legen, und ich blickte hoch. Es war aber keine Wolke, sondern der alte Lord, der uns eingehend und stumm zusah. Er hatte sich wie auf Katzenpfoten angeschlichen, hatte uns überrumpelt und mußte schon ein Weilchen dagestanden haben.
    »Dame Margaret, nehmt ihm die Schaufel weg.« Doch als ich sie Peregrine wegnehmen wollte, fing er an zu brüllen.
    »Peregrine«, sagte der alte Lord. Seine Stimme klang noch nicht grimmig, aber das Gewitter war bereits im Anzug. »Edelleute gärtnern nicht. Edelleute reiten. Bauern gärtnern.«
    »Peregrine buddelt und findet was. Wo iss mein Käfer? Mama, hol mir meinen Käfer, Großpapa soll ihn sehen.«
    »Peregrine, dein Käfer ist fortgelaufen, und jetzt sei ein lieber Junge und leg die Schaufel weg.«
    »Wenn du größer bist, nehme ich dich mit auf Dachsjagd. Dann graben wir und finden etwas Besseres als Käfer«, sagte der alte Mann. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn je so nachsichtig gesehen zu haben. Das Gewitter, das ich befürchtet hatte, war offenbar vorbeigezogen.
    »Komm mit auf den Hof zu den Stallungen. Ich habe etwas für Klein-Peregrine«, sagte er, und ich sah erstaunt zu, wie er den Jungen huckepack nahm. Hinter mir spürte ich den Ärger der kleinen Mädchen, die ihm nachsahen,

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