Die Zauberquelle
während er an der Koppel vorbeiging. Hugo und Gilbert lehnten am Gatter und sahen einem Einjährigen zu, der an der Longe galoppierte.
»Er gefällt mir nicht«, sagte Gilbert gerade. »Sieh nur, wie er die Hinterläufe setzt.«
»Das ist der Beste, den Vater dieses Jahr…«
»Vielleicht, wenn er erst beschlagen…«
Beim Anblick ihres furchteinflößenden Erzeugers mit dem kleinen Lockenschopf auf den Schultern wandten sie erstaunt den Kopf.
»Hat er das je mit dir gemacht?« fragte Gilbert verwundert.
»Nicht daß ich wüßte«, sagte Hugo, »aber er hat mich mal die Treppe hinuntergeworfen.«
»Das ist nicht das gleiche«, sagte Gilbert, und sie verließen ihren Posten am Gatter und folgten ihm.
»John, bring die ÜBERRASCHUNG heraus«, trompetete der alte Mann und baute sich mitten im Hof auf.
»Großpapa, mein Pferdchen«, sagte Peregrine, als er das kleine Bergpony erblickte, mit dem der Pferdeknecht in der Stalltür auftauchte. Es war pechschwarz und kugelrund, stand mit kurzen Beinchen dicht am Boden, hatte ein durchtriebenes kleines Gesicht mit einer Blesse auf der Stirn, und ein einziger der Füße war weiß. Zwar hatte der alte Mann stets dafür gesorgt, daß auf seinem Land nichts graste, was nicht mindestens fünfzehn Handspannen hoch stand, trotzdem war nicht das Pony so erstaunlich, sondern Sattel und Zaumzeug: Sie waren eine Nachahmung der Kriegsausrüstung des alten Mannes im Kleinformat. Alles war da, der hohe Zwiesel und die Schaumstange, ein mit Messing geprägter lederner Brustharnisch und Schwanzriemen, ja, es war das großzügigste Geschenk, das je ein sterbliches Kind bekommen hatte. Ich staunte mit offenem Mund, drehte mich um und sah Hugo und Gilbert an. Auch ihnen stand der Mund offen. Der alte Mann hob sein krähendes Enkelkind auf das Pony, während zwei Stallknechte die Zügel hielten. Dann trat er zurück, verschränkte die Arme und bewunderte sein Werk.
»Schluß mit der Gelehrsamkeit, Schluß mit den verdammten Schellen. Mein Großsohn wird Ritter«, knurrte er und warf seinen Söhnen einen schiefen Blick und ein gewisses grimmig triumphierendes Lächeln zu. »John, bring den Jungen auf die Koppel und führ ihn herum. Ich möchte sehen, wie er sich macht. Sitz gerade, Peregrine, ja, so ist's recht! Seht ihr das? Noch keine drei Jahre alt, und ein Sitz wie ein KÖNIG!«
Während wir dem Pony zur Koppel folgten, konnte ich Cecily seufzen hören. Gilbert auch. Er betrachtete von seiner großen Höhe aus Cecilys wilden Lockenkopf mit dem struppigen Zopf. Seine dunklen Augen blickten mitfühlend.
»Das ist ungerecht«, sagte sie mit gesenktem Blick, während sie mit nackten Füßen Staub aufwirbelte. Mir fiel ein, um was sie Bruder Malachi gebeten hatte.
»Cecily«, sagte er und seufzte genauso abgrundtief, »auf dieser Welt geht es selten gerecht zu.«
»Ich möchte auch reiten«, sagte sie.
»Ich frage Vater, ob ihr beiden Old Brownie nehmen dürft«, sagte er. »Das Gute daran ist, mit dem stellt er sich nicht an, also könnt ihr reiten, wohin ihr wollt.«
»Der ist für uns wohl gut genug«, unterbrach ihn Alison.
»Vater«, sagte Cecily, »ich habe stundenlang an dem Altartuch gestickt, ich habe jeden Morgen und Abend gebetet und die vielen Körbe zur Kirche getragen und bin zu jedermann höflich gewesen. Ich bin wirklich artig gewesen, Vater, und ich bin auch nicht auf Bäume geklettert und so.«
»Ich weiß genau, was du meinst«, antwortete er ernst und verständnisvoll. »Ich bin auch immer artig gewesen.« Die beiden Knechte führten das Pony jetzt im Kreis herum, während der Großvater Befehle brüllte.
»Hacken runter, Junge, und nicht klammern!« Peregrine strahlte, und die herumlungernden Bauern, die sich stets einstellten, wenn etwas Interessantes geschah, klatschten und jubelten.
»Hurra, der kleine Lord!« riefen sie. Über der Koppel zeichnete sich der einzige Turm von Brokesford ab, rund und mit flachem Dach. An dem schmalen Fenster erblickte ich etwas. Es verschwand und war erneut da. Es war das Gesicht einer Frau, und es war weiß vor Haß.
Wäscherinnen kochten die Wäsche über dem Hoffeuer, als Lady Petronilla vorbeistürmte. Eine hielt das Feuer in Gang, während eine andere mit einem Stecken den schweren nassen Stoff bewegte. Margaret hatte gerade ein Mädchen mit dem leeren Korb nach den Tischtüchern geschickt. Ihr alter Hund, ein kleines Geschöpf, das wie ein lebendes Wollknäuel aussah, war ihr schnaufend nach draußen gefolgt und
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