Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
sie überrascht und erfreut zugleich. Sie umarmte ihre Freundin.
»Hör mir zu, wir haben nicht viel Zeit.« Kalira sah sich gehetzt um. »Er hält mich gefangen. Du musst mit Moira sprechen. Sie kann uns helfen.«
»Wer hält dich gefangen, Kalira? Wer hat euch das angetan?« Sie hätte lieber nicht gefragt. Doch sie wusste, dass die Ungewissheit und die Angst vor der Frage mit jeder Stunde des Wartens die Antwort unerträglicher machte.
Kalira befreite sich aus Julianes Umarmung und floh in den Nebel. »Ihr müsst ihn aufhalten. Suche Moira«, hallte Kaliras Stimme dumpf durch den Dunst.
»Warum antwortest du mir nicht? Wer hält dich gefangen, Kalira?«
»Kloob!«
Ein eisiger Schreck durchzuckte Juliane. Sie schrie auf … und fand sich zusammengesunken auf ihrem Platz am Krankenbett. Ein unangenehmes Frösteln erfasste sie und breitete sich von den Zehen bis zum Haaransatz aus.
Kloob.
Sie wollte nicht daran denken und schloss die Augen. Doch das half nicht gegen die Bilder der Vergangenheit, die in ihr aufzusteigen drohten. Sie zwang sich, an den Anfang zu denken. Sie war völlig unbedarft nach Goryydon gekommen, nur um von dem Versprechen zu erfahren, welches sie als Inkarnation der Amazonenkönigin Zadieyek gegeben hatte: Goryydon in Zeiten der Gefahr zu retten.
Sie schüttelte heftig den Kopf, wollte sich nicht an die Schlacht erinnern, nicht an ihr Duell mit Kloob. Sie bemühte sich, an das Gute, das Schöne zu denken. Es ging nicht.
Sie erinnerte sich an Blut, rot und frisch, das ihre Hand, ihr Messer verfärbt und sich wie ein Wasserfleck auf dem dunklen Stoff von Kloobs Gewand ausgebreitet hatte. Obwohl sie sich dagegen wehrte, stieg der Gedanke an den Geruch in ihr hoch, die Mischung aus verbrannten Kräutern, Fleisch und dem metallischen Blutgestank.
Und an den Fluch. Im Sterben hatte Kloob geschworen, sich an ihr zu rächen. Dafür zu rächen, dass sie seine Gefangene Moira befreit und seiner Gewaltherrschaft über das Reich ein Ende bereitet hatte.
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Halt suchend umfasste sie die Armlehnen des Stuhls. Sie beugte sich vor und rang sich gleichmäßige Atemzüge ab. In ihren Ohren rauschte es und Schwindel hielt sie auf dem Sitz fest. Ein Wimmern entstieg ihrer Kehle. Langsam zwang sie den Schwindel nieder. Sie erhob sich und verließ wie benebelt den Raum. Im Zimmer dahinter saß eine Dienerin in einem Sessel und stickte. Sie sah hoch, als sie Juliane aus Kaliras Schlafgemach treten hörte.
Die Frau legte ihr Stickzeug beiseite und eilte auf sie zu.
»Herrin Juliane, kann ich Euch behilflich sein?«
Obwohl ihre Knie wackelten wie Gelee und ihr Gehirn blutleer schien, schüttelte sie den Kopf. Einen Moment lang verschleierte sich ihr Blick. Sie schluckte und biss sich auf die Unterlippe.
Die Dienerin starrte sie sichtlich beunruhigt an.
»Alles in Ordnung«, versuchte Juliane, die Frau mit einem Lächeln zu überzeugen. »Bitte kümmere dich um die Königin.«
Die Zofe nickte und ging in das Gemach.
Juliane verließ die Privaträume Kaliras und Ranons und eilte den Gang hinunter. Verwirrt, wie sie war, wusste sie nicht, wohin sie lief. Sie kam erst wieder zu sich, als Aran sie auf sein Bett legte.
»Kloob ist zurück«, stammelte sie. Tränen stiegen in ihr hoch. Sie fühlte heiße Tropfen über ihre Wangen kullern.
*
Aran schluckte. Selbst ohne die Seelenverbindung erkannte er die Panik in ihren Augen. Sie hatte nie mehr erzählt, als dass sie Kloob getötet hatte. Doch er ahnte, dass sie etwas verschwieg. Er setzte sich an den Bettrand, hielt ihre Hand, streichelte geduldig über den Handrücken und musterte sie. Julianes Haut schimmerte gräulich. Ihre Augen erfüllte eine tief gehende Angst. Er wollte ihre Seelenverbindung nicht ausnutzen, doch sie wirkte so verzweifelt, so panisch, dass er seinen Geist öffnete. Schon lange hatte er seine Fähigkeiten nicht mehr benutzt und wusste nicht, ob er es noch beherrschte. Doch die Seelenverwandtschaft erleichterte es ihm. Er glitt in ihren Geist. Breitete silbernes Licht wie eine wärmende Decke über sie und beobachtete sie forschend. Juliane entspannte sich. Nur ein wenig, aber doch genug, um sprechen zu können.
Sie blinzelte, wandte ihren Blick ab und starrte an den Baldachin. »Kloob nahm meine Hand. Er ergriff sie, obwohl das Messer in seinem Herz steckte. Er drohte, dass er zurückkäme. Er würde zurückkehren und mich und all meine Freunde vernichten.« Ein heiseres Stöhnen kam über
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