Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
Schicksalsmächte tragen.«
Freuden sind unsere Flügel,
Schmerzen unsere Sporen.
Jean Paul
Kapitel 8
Erkenntnisse
D ie Bibliothek stellte sich als ein großer, gemütlicher Raum heraus, in dem es nach Leder, Talg und Feuer roch. Die Bücher in den Regalen waren in dunkles Leder oder in Stoff eingebunden und verströmten den typischen Bibliotheksgeruch.
Im Kamin lag Glut. Im Weidenkorb neben der Feuerstelle waren Holzscheite ordentlich aufgetürmt. Links davon stand ein Metallgestell, in dem sich verschiedene Werkzeuge wie Zange und Schürhaken befanden. In der Mitte des Zimmers gab es einen Tisch, um den sich acht Lehnstühle verteilten. Einige Ledersessel im Raum boten die Möglichkeit, es sich gemütlich zu machen.
Michaela umarmte Juliane.
»So, aber jetzt möchte ich Antworten.« Sie löste die Umarmung. »Der Schönling sagte, du bist nicht das erste Mal in Goryy-whatever.«
Juliane brachte ein klägliches Lächeln zustande. Die Geschehnisse der letzten Tage lasteten auf ihr. Gern hätte sie sich verkrochen und ihre Wunden geleckt, doch sie wusste, dass dazu keine Gelegenheit bestand. Sie musterte Ku’guar, Michaelas neuen Freund. Seine Frisur ähnelte der eines Surfers der Achtziger und seine Bewegungen wirkten bedächtig und geschmeidig wie die einer Raubkatze. Interessiert taxierte sie ihn. Seine helle Haut schimmerte sonnengeküsst. Sie hielt Michaela mit einer Geste von einem weiteren Wortschwall ab.
»Später.«
Juliane wandte sich an Ku’guar und begrüßte ihn mit dem traditionellen Sonnengruß. Die linke Hand auf den Rücken gelegt, die rechte Handfläche zeigte zu Boden und wurde mit einer geschmeidigen Bewegung nach oben gedreht, um schließlich auf Kopfhöhe geführt zu werden.
Ku’guar trat neben Michaela und bedeckte seine Augen.
»Ku’guar aus dem Volk der Semchai, Stammesmitglied der Silberlöwen, grüßt die ehrenwerte Herrin Juliane, Drachentochter, Auserwählte und Heldin der Großen Schlacht.«
Sie nickte ihm zu. »Damit wäre dem Zeremoniell Genüge getan. Setzt euch.« Sie ließ sich ebenfalls auf einem der Stühle nieder. »Wo leben die Semchai? Ich habe noch nie von euch gehört.«
Ku’guar streckte zögernd seine Füße aus. »Wir sind auf der anderen Seite der Elfenwälder beheimatet. Man … die Menschen mögen uns nicht.« Er blickte sie herausfordernd an. »Semchais sind Wandler.«
Sie unterdrückte einen begeisterten Aufschrei, stattdessen ließ sie ihren Mund ein stummes O formen. »Faszinierend! Ich wusste nicht, dass ihr tatsächlich existiert. Welche Tiergestalt nimmst du an?«
»Einen Silberlöwen.« Er entspannte sich. »Würde es … wäre es möglich, meine Identität geheim zu halten?«
Sie nickte zustimmend. »Natürlich.« Sie rieb ihre Handflächen an den Oberschenkeln. »Genug geplaudert, erzählt, was euch widerfuhr.«
Mit nüchternen Worten schilderte Ku’guar die Erlebnisse, seit er und Michaela zusammengetroffen waren.
In Juliane stieg ein flaues Gefühl auf. »Wie gut, dass du Michaela gerettet hast. Sie wäre ihnen nie entkommen.«
»Na, hör mal«, widersprach ihre Schwester beleidigt. »Ich bin gerannt wie der Wind. Das graue Vieh hätte mich nicht erwischt.«
Juliane unterdrückte ein Stöhnen. »Du weißt, dass ich es nicht böse meine.«
Michaela brummte unwillig und musterte sie. »Was ist mit dir? Wie bist du hierhergekommen und vor allem, wann warst du das erste Mal hier? Der Schönling hat Dinge erzählt, die ich nicht glauben kann. Und was bedeutet diese seltsame Litanei, mit der du dich Ku’guar vorgestellt hast?«
»Viel Fragen auf einmal. Ich hatte vergessen, wie neugierig du bist.«
Das Holz im Kamin knackte und Juliane sah kurz hinüber.
»Ich glaube, ich habe ein Recht auf Antworten«, beharrte Michaela.
Ku’guar rutschte auf seinem Sitz herum und erhob sich. »Ich werde mich ein bisschen umsehen. Ihr habt viel zu besprechen.
Sie neigte dankend den Kopf. »Du hast recht. Fühl dich wie zu Hause!«
Juliane wartete, bis Ku’guar die Bibliothek verlassen hatte, und wandte sich Michaela zu. »Ich kam vor etwa fünf Jahren das erste Mal nach Goryydon. Damals hat Kloob, ein tyrannischer Schwarzmagier, über das Land geherrscht. Ein uraltes Versprechen und eine Prophezeiung erwählten mich zum einzigen Menschen, der Kloob töten und die wahren Herrscher wieder auf den Thron bringen konnte.«
»Moment, du warst hier? Wann? Und wie lange?« Michaela wirkte zu Recht verwirrt. Ohne ihr
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