Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
hier oben!«
Da steht er auch schon vor mir. Er sieht zum Anbeißen aus – graues T-Shirt, Jeans, kunstvoll zerstrubbelte Haare und schwarze Prada-Slipper. Ich empfange ihn in einem beigefarbenen Nackenhaltertop und meiner Joe’s Jeans, in der mein Hintern übrigens verdammt sexy aussieht.
»Hi! … Wow.« Er blickt sich beeindruckt im Zimmer um.
»Toll, nicht? Es wird Wochen dauern, bis ich mich an den Gedanken gewöhnt habe, dass das alles mir gehört.«
»Geht mir ähnlich. Ich habe ein Kino im Haus, und sobald ich an einen bestimmten Film denke, läuft er auch schon. Oder ich sage einfach: ›Eine französische Komödie, die mir gefallen könnte, die ich aber noch nicht kenne‹, und schon flimmert die beste französische Komödie über die Leinwand, die ich je gesehen habe!«
»Wahnsinn! Warum habe ich mir das nicht gewünscht?«
»Weil du offenbar ein Faible für Klamotten hast«, sagt er mit weit aufgerissenen Augen. Er hat eben meinen begehbaren Schrank entdeckt.
»Die habe ich mir nicht gewünscht. Das war alles schon hier, als ich eingezogen bin«, entgegne ich eine Spur verlegen. Wieso eigentlich? Er hat sein eigenes Kino!
Adam begutachtet meine erlesene Schuhkollektion. »Davon träumt wohl jede Frau.«
»Ja, ich bin ganz zufrieden damit.«
Er dreht sich zu mir um.
»Aber dass wir uns kennen gelernt haben und nebeneinander wohnen, hast du dir doch hoffentlich gewünscht.«
»Das wüsstest du wohl gern, wie?«
»Es ärgert mich noch immer, dass ich so früh gestorben bin«, vertraut mir Adam an, als ich ihm wenig später auf meinem edlen Pebble-Point-Geschirr von Kate Spade den Schweinebraten serviere.
»Ich freunde mich langsam mit der Tatsache an. Sie machen es einem ja auch wirklich einfach hier. Hau rein!« Die Knoblauchkartoffeln sind außen knusprig und innen zart, genau, wie ich sie am liebsten mag, natürlich.
»Ich muss ständig daran denken, was mir alles entgehen wird«, fährt er fort. »Ich habe nie geheiratet, ich hatte keine Kinder. Ich war im Begriff, meinen Job bei der Investment-Firma zu kündigen und mich selbständig zu machen. Darauf hatte ich mich echt gefreut. Ich hätte mich in fünf Jahren zur Ruhe setzen können. Warum war ich so darauf versessen, Geld zu verdienen? Na ja, wenigstens habe ich meiner Nichte und meinem Neffen schon das College finanziert. Aber trotzdem: Das soll’s schon gewesen sein?«
Ich nicke. »Das war’s. So ist das Leben. Das Ende war nicht abzusehen. Ich habe beschlossen, ganz einfach das Beste daraus zu machen. Ich weiß nicht, warum, aber ich habe mich mit meinem Schicksal versöhnt. Ich bin zufrieden. Zugegeben, ein bisschen wurmt es mich schon, dass ich so jung dran glauben musste – ich hatte auch noch einiges geplant, aber vorbei ist vorbei. Da kann man nichts machen. Außerdem ist das hier das reinste Paradies, verglichen mit der Plackerei und den ständigen Sorgen auf der Erde. Hier habe ich mein Haus, meinen begehbaren Kleiderschrank, meine Großeltern – das entschädigt mich für alles.«
»Du bedauerst es also nicht, dass du gestorben bist?«
Ich überlege. »Doch, schon. Mein Vater und ich waren eine Zeit lang nicht besonders gut aufeinander zu sprechen, das hätte ich gern noch in Ordnung gebracht. Wir waren auf dem besten Weg, als ich abtreten musste. Ich fürchte, ich habe ihm nie einen Grund geliefert, stolz auf mich zu sein. Das hätte ich gern geändert, aber soll ich deswegen hier herumsitzen und Trübsal blasen? Ich kann es ohnehin nicht mehr ändern«, behaupte ich nonchalant, dabei ist mir ganz und gar nicht nonchalant zumute.
»Du hast dich also damit abgefunden?«
»Ja«, schwindle ich. »Ja, ganz und gar.«
»Ich nicht. Ich hatte noch so viel vor.« Adam nippt an seinem Wein. »Ich wollte noch so vieles erreichen.«
Mir fiele zu diesem Thema noch so einiges ein, aber ich will ihn jetzt nicht in eine tiefgründige Debatte über Leben und Tod verwickeln. Ja, klar, ich hatte auch Pläne, aber mal im Ernst: In Anbetracht des ganzen Luxus, mit dem wir hier gesegnet sind, sollte es doch ehrlich gesagt nicht so schwierig sein, den Verlust des Lebens zu verschmerzen. Es war schließlich echt kein Honiglecken. Hier denkt man nur mal eben an Schweinebraten, und schon steht einer im Ofen. Wo ist das Problem?
»Seltsamerweise sehe ich die Angelegenheit trotzdem total gelassen«, fährt er fort. »Als wäre es inzwischen ohnehin völlig egal. Dennoch versuche ich wenigstens, mir Gedanken über meine Angehörigen
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