Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
Vom Netzwerk:
einzige Hoffnung, die wir alle teilen…“, er wies über die Menschen in der Halle, „… ist doch, dass wir bereuen und uns dadurch ein Teil unserer Seele zurückgegeben wird. Dass unsere Seele wieder heilen kann und eines Tages ganz wird. Dann werden wir wieder vor Gott bestehen können!“
    „Und wenn es nicht so ist?“, fragte Elizabeth mutlos.
    „Dann wäre die Hölle sinnlos. Dann könnte man uns auch gleich der Vernichtung anheimfallen lassen. Der Tag des Jüngsten Gerichts wäre ohne Bestimmung.“
    Michael starrte mit leerem Blick vor sich hin. Dann begann er langsam zu nicken.
    „Ich denke sie haben recht“, sagte er. „Auch wenn es so klingt, als sei die Hölle so etwas wie eine Gnade – die allerletzte Chance, alles doch noch richtig zu machen.“
    „Viele von uns sehen das so“, erwiderte Oliver. „Man hilft einander so gut es eben geht, auch wenn das oft nicht viel ist. Da wir keine Körper mehr haben, sind es allein unsere Seelen, die hilfsbedürftig sind. Wir reden viel miteinander, um den Schmerz und die Angst zu bekämpfen, die in uns allen steckt. Einige von uns wollen aber mehr tun. Sie gehen immer wieder hinaus, um den Akoloythoi gefallene Seelen abzunehmen und hierher zu bringen. Im Laufe der Jahre ist unsere Gemeinschaft dadurch so groß geworden, wie ihr sie nun seht.“
    Stolz schwang in Olivers Stimme mit, als er nun lächelnd auf die Menschen im Krematorium sah.
    „Jeder einzelne“, fuhr er fort, „hat dem Bösen entsagt und lebt jetzt allein nach jenen Grundsätzen, die eigentlich für alle gelten sollten: Selbstlosigkeit, Barmherzigkeit und Mitgefühl. Im Prinzip leben sie nun so, wie sie es schon zu Lebzeiten hätten tun sollen. Aber besser spät als nie, wie man so sagt.“
    Er lachte und blickte Elizabeth und Michael dabei verschmitzt an.
    „Paradoxerweise macht uns die Hölle die Sache eigentlich einfach“, fügte er hinzu. „Wir haben hier keine Körper, also entfallen Gier und Selbstsucht, weil die Bedürfnisse des Körpers nicht mehr gepflegt werden müssen. Essen spielt keine Rolle mehr, Geld ebenso wenig. Von einem prächtigen Palast hast du nichts, wenn er durch Akoloythoi überfallen werden kann. Sicherheit vor denen ist viel wichtiger als Luxus und da ist es sinnvoller, so unauffällig wie möglich zu leben. Sobald du dir das klargemacht hast, steht einem gottgefällige n Leben eigentlich nichts mehr im Weg, aber dieser eine Schritt ist für die meisten in der Hölle dennoch weit außerhalb ihrer Möglichkeiten. Nicht umsonst haben wir im Laufe der Jahre auch immer wieder viele Menschen verloren.“
    „Ihr habt sie verloren?“, hakte Michael nach.
    „Ja, einige konnten wir schon im ersten Moment nicht von uns überzeugen. Für viele ist es leichter, in der Qual zu leben, die sie durch die Akoloythoi erfahren, als sich in das Unbekannte zu stürzen, das wir ihnen bieten. Unsicherheit kann ein unüberwindbares Hindernis sein.“
    „Aber… aber wie läuft das ab, wenn ihr Menschen zu befreien versucht?“, fragte Elizabeth.
    „Ihr habt es heute erlebt. Wir bilden Trupps, die in die Stadt hinausgehen und nach günstigen Gelegenheiten Ausschau halten. Wenn wir auf Menschen stoßen, deren Akoloythoi-Bewacher nicht allzu zahlreich sind schlagen wir zu. Mehrere von uns locken die Dämonen weg, während die anderen die Menschen auffordern, mitzukommen.“
    „Moment. Ihr lockt die Akoloythoi weg?“, fragte Michael. „Wie macht ihr das?“
    „Man spielt den Lockvogel. Sobald sie sehen, dass Menschen ohne Bewacher in der Hölle unterwegs sind, heften sie sich an ihre Fersen. Und sie sind schnell. Es dauert nie sehr lange, bis sie die Lockvögel erwischen.“
    „Ja, aber wie wird man sie wieder los? Wie befreit ihr die Lockvögel?“
    „Mit Wasser natürlich!“
    „Mit Wasser?“
    „Ja, mit dem Wasser der Grenzflüsse. Ich weiß nicht, ob ihr sie auf eurem Weg hierher gesehen habt. Die zehn Kreise der Hölle werden von Grenzflüssen geschieden. In ihnen fließt ein tiefschwarzes öliges Wasser, in welchem nichts Böses überleben kann. Einige von uns gehen in unregelmäßigen Abständen dort hin und schöpfen Wasser daraus. In dem Augenblick, wenn die Akoloythoi die Lockvögel eingekesselt haben und vor sich herzutreiben beginnen, kommen die sogenannten Befreier mit den Wasserkrügen und werfen sie gegen die Akoloythoi. Das Wasser ergießt sich über sie und unter Schmerzen lassen sie von ihren Opfern ab, denn an ihnen ist alles Böse und so leiden sie

Weitere Kostenlose Bücher