Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
Vom Netzwerk:
Menschenkind.“
    Eleanor schwieg einen Augenblick und dachte nach.
    „Ich weiß es nicht“, bekannte sie schließlich. „Nach meinem Tod habe ich das Licht gesehen. Ich wollte schon hineingehen, aber plötzlich trat jemand dazwischen und versperrte mir den Weg. Ich weiß nicht, wer das war, aber ich denke, dass er mich hierher hinab in die Hölle geschickt hat.“
    Asrael erstarrte und blickte ungläubig auf jenes kleine zerbrechliche Mädchen vor sich. Hinter ihren Worten steckte eine Ungeheuerlichkeit. Konnte das überhaupt sein? War es für einen der Ihren möglich, einen Menschen vom Gang in das Licht abzuhalten? Eigentlich nicht. Die Anziehungskraft des göttlichen Feuers war so gewaltig, dass es ihm unvorstellbar schien, die Seele eines Menschen vom Licht fortzureißen. Und abgesehen davon – wohin auch immer einer der Ihren eine solche Menschenseele brachte, das Licht würde ihr folgen. Selbst in die tiefsten Tiefen der Hölle hinein. Es war vollkommen unmöglich, was dieses Mädchen ihm hier zu erzählen versuchte.
    „Du lügst!“, stellte er ruhig fest. „Wenn du nach deinem Tod das Licht sehen konntest, dann nur deshalb, weil deine Seele rein genug war. Keine mir bekannte Macht wäre imstande dann das Licht von dir fernzuhalten. Selbst hier müsstest du es sehen können.“
    Eleanor sah sich um. Sie blickte nach oben in jenes flammende Inferno, das auch hier am Himmel über ihren Köpfen tobte. Flüsse aus Lava schienen dort über ihnen zu fließen, hoch oben in jenen Sphären, die in der Welt der Lebenden allein den größten Raubvögeln vorbehalten waren. Immer wieder schlängelten sich brennende Wolkenbände jedoch auch tiefer durch die Luft, einige von ihnen nur wenig mehr als hundert Meter über ihnen. Dort war kein Licht auszumachen, wie Eleanor es im Treppenhaus von Stratton Hall gesehen hatte.
    „Ich sehe kein Licht“, sagte sie ruhig. „Nirgendwo habe ich es hier in der Hölle gesehen. Offenbar geht es mir wie euch.“
    Asrael trat noch einen letzten Schritt vor und blieb dann unmittelbar vor Eleanor stehen. Er beugte sich zu ihr hinab, um ihr so nahe wie möglich zu kommen.
    „Wenn du das Licht des Herrn hier nicht sehen kannst, dann frage ich mich, was du getan haben magst, dass dir das Licht der Erlösung entzogen wurde. Vor allem aber würde ich wissen wollen, wer sich zwischen dich und das Licht gestellt hat!“
    Eleanor sah ihn offen an. „Ich weiß es nicht“, bekannte sie schließlich ehrlich.
    Asrael richtete sich beinahe enttäuscht wieder auf, doch sein misstrauischer Blick blieb auch weiter an Eleanor haften. Eine unangenehme Pause entstand, in der niemand etwas sagen mochte.
    „Was geschieht nun mit mir?“, fragte sie leise nach einer Weile. Sie fürchtete sich vor der Antwort, die sie nun hören würde. Und dennoch wusste sie, dass sie vollkommen in der Hand der gefallenen Engel war.
    Asrael zögerte eine Antwort hinaus. Stattdessen blickte er fast gedankenverloren über sie hinweg zum Horizont. In jene Ferne, die auf der anderen Seite des Grenzflusses im vierten Kreis lag.
    „Sag, Eleanor Menschenkind“, begann er schließlich, „wie hast du eigentlich den Tod gefunden? Wie konntest du mit jemandem wie Raphael an deiner Seite sterben?“
    Von einem Augenblick auf den anderen fühlte Eleanor sich, als läge ein schwerer Stein in ihrem Magen.
    „Raphael ist fort“, bekannte sie schließlich mit tonloser Stimme. Die Hoffnungslosigkeit in ihren Worten war so gewaltig, dass selbst Asrael erschrocken die Luft einsog. „Er ist mit jemandem gegangen, der sich Lilith nennt!“, flüsterte sie.
    Ein Zischen und Fauchen drang hinter Asraels Rücken zu ihnen hinüber und eine vereinzelte Stimme brüllte: „Verräter! Er ist zum Verräter an uns Engeln geworden!“
    „Nein!“, schrie Eleanor. „Nein! Er hatte keine Wahl. Er ist mit Lilith gegangen, weil sie ihm damit drohte, mich zu töten!“
    Eine unheilvolle Stille folgte ihren Worten und fast schien es, als hielte die gesamte Hölle für einen Augenblick den Atem an. Selbst die rot glühenden und brennenden Wolken über ihren Köpfen verlangsamten für wenige Sekunden ihren rasenden Lauf, bevor sie wieder mit unverminderter Wucht über den Himmel zu fegen begannen.
    „Lilith, sagst du“, erklang Asraels Stimme schließlich in geradezu gefährlicher Ruhe. „Dieses Miststück erpresst einen der unseren…“
    Sein Mund war zu einer dünnen Linie zusammengepresst und er blickte über ihren Kopf hinweg zum Fluss

Weitere Kostenlose Bücher