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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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unter dem Wasser.“
    „Aber was, wenn die Befreier oder die Lockvögel von dem Wasser getroffen werden?“
    Oliver nickte. „Aus diesem Grund wählen wir dafür nur jene von uns, die schon sehr lange in der Kirche der Verlorenen sind. In ihnen ist nur noch so wenig Sünde übrig, dass das Wasser ihnen keinen großen Schaden mehr zufügt. Es ist eine Weile äußerst schmerzhaft, aber doch erträglich. Wir glauben, dass ein jeder von uns die Hölle verlassen kann, sobald ihm das Wasser gar nicht mehr schadet.“
    „Aber geschehen ist das noch nie, oder?“
    „Nein, bis jetzt nicht. Eigentlich müsste man dann das Licht Gottes sehen und es betreten können, wenn die Seele rein genug ist. Wir diskutieren oft darüber, ob das Licht Gottes überhaupt in der Hölle erscheinen kann. Wenn nicht, dann müssen wir wohl tatsächlich bis zum Tag des Jüngsten Gerichts warten.“
    Elizabeth und Michael nickten nachdenklich.
    „Mir macht noch immer die Tatsache Sorgen, dass das Böse dieses Versteck kennt und es dennoch nicht stürmt“, meinte Michael schließlich. „Kann es sein, dass das Böse einfach nicht hineinkommen kann ?“
    Oliver lachte freudlos auf. „Was sollte sie zurückhalten? In diesen Mauern gibt es keine Macht, die etwas gegen sie ausrichten könnte. Nichts kann den Dämonen und den Akoloythoi widerstehen.“
    „Zumindest nichts, was euch bewusst wäre.“
    Oliver seufzte. „Das einzige wäre das schwarze Wasser. Vielleicht trauen sie sich deshalb nicht. Andererseits haben wir dafür längst nicht genug, um einem Angriff ernsthaft etwas entgegensetzen zu können.“
    „Das Wasser der Grenzflüsse?“, hakte Elizabeth nach. „Ihr habt es hier?“
    „Natürlich. Irgendwo müssen wir es ja lagern. Unter uns gibt es mehrere Kellerräume. Als wir diesen Ort damals entdeckten, fanden wir dort ein riesiges Lager an Urnen. Irgendwie einleuchtend bei einem Krematorium. In diesen Urnen haben wir das Wasser aus jenem Grenzfluss geschöpft, der diese Welt vom vierten Kreis der Hölle trennt. Mittlerweile ist unser Arsenal recht anständig geworden, aber für eine Verteidigung wäre es trotzdem jämmerlich wenig. Die gefallenen Engel könnten Abertausende von Akoloythoi auf uns hetzen. Selbst wenn wir die ersten hundert abwehren könnten, wäre uns der Untergang dennoch sicher.“
    Noch einmal seufzte Oliver. Dann erhob er sich und bedeutete den beiden, ihm zu folgen. Sie verließen die Halle und gingen zu einer kleinen Seitentür, hinter der eine schmale, stählerne Wendeltreppe hinab in das darunterliegende Geschoss führte. Das warme Licht der oberen Halle reichte nicht bis hierher, doch zahlreiche kleine Lampen an den Wänden tauchten den engen Korridor vor ihnen in ein rötliches Licht. Im Abstand von jeweils mehreren Metern gingen rechts und links Türen ab, doch Oliver steuerte auf das Ende des Ganges zu, wo er eine schwere Holztür aufschob und hineinwies. Michael und Elizabeth sahen an ihm vorbei in einen finsteren Raum von vielleicht fünf mal fünf Metern. In den Regalen und ebenso auf dem gesamten Boden standen dicht an dicht unzählige Urnen der unterschiedlichsten Machart. Einige schlicht und einfach, andere überbordend und aus wertvollen Materialien. Ein kurzer Blick in einige der vorderen Urnen verriet Michael, dass sie bis zum Rand mit einer schwarzen, öligen Flüssigkeit gefüllt waren, die selbst hier in der Ruhe der unterirdischen Kelleranlage beständig in Bewegung war, kleine Wellen schlug und immer wieder über den Rand schwappte. Hin und wieder schienen sich schwarz verfärbte Formen aus der Flüssigkeit zu erheben, Finger und Hände, die ebenso schnell wieder in den Urnen verschwanden. Es war eiskalt in diesem Raum und ein unbestimmbares Flüstern und Zischen lag in der Luft.
    „Geht nicht zu nah ran“, flüsterte Oliver hinter ihnen. Seine Stimme klang ehrfürchtig, fast ängstlich. „Das ist wirklich ein Teufelszeug. Einmal hat aus einer der Urnen eine Hand nach mir geschnappt. Das hat noch Tage später gebrannt und ich war wochenlang schwer depressiv.“
    Michael und Elizabeth zogen sich respektvoll zurück und Oliver verschloss die Tür sorgfältig hinter ihnen. Sie gingen den Kellergang zurück und stiegen die Treppe zur Halle schweigend hinauf, doch Michael war ins Grübeln gekommen.
    „Sag, Oliver“, begann er schließlich. „Was denkst du, wie viele Urnen ihr dort unten habt?“
    „Du meinst mit dem verfluchten Wasser?“
    Michael nickte.
    „Nun, vielleicht dreihundert

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