Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
Menschen auf. Sie warfen mit Krügen um sich, aus denen sich eine ölige schwarze Flüssigkeit über die Leiber der Akoloythoi ergoss. Das Chaos und der Lärm waren unbeschreiblich.
Eleanor blickte sich verwirrt nach William um, der schwer angeschlagen und vor Panik wild um sich blickend auf dem Boden lag. Die Akoloythoi hatten von ihm abgelassen und die Flucht ergriffen, nachdem die ersten von ihnen Bekanntschaft mit dem schwarzen Wasser gemacht hatten. Auch ihn selbst hatten einige Spritzer des Wassers getroffen und hektisch mühte er sich, es abzuwischen.
„Wer sind diese Menschen?“, wimmerte er, doch Eleanor hörte es nicht. Denn dort, nur wenige Meter von ihr entfernt, stand mitten auf der Straße Michael. Michael, der wunderbare Michael.
„Was machst du hier?“, hauchte sie ungläubig.
„Was wohl? Dich retten!“, erwiderte er ernst.
Die Welt schien plötzlich wie in Zeitlupe abzulaufen, während er lachend auf sie zuging. Eleanor fiel in seine Arme und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wie ihr schien, fühlte sie sich wieder sicher und geborgen. Sie nahm kaum noch wahr, wie sich der Kampf um sie herum auflöste und die letzten Akoloythoi in den umliegenden Straßen verschwanden. Erst, als sie das siegessichere Geschrei der Menschen hörte, sah sie sich ein erstes Mal um. Überall lagen zuckende Dämonenleiber zwischen schwarzen Pfützen auf der Straße. Jene Akoloythoi, die sich vor Schmerzen windend auf dem Boden wälzten, waren vorerst keine Gefahr mehr für die Menschen, doch das schwarze Wasser war noch immer gefährlich. In widerlichen Wolken wurde es von den Flammen auf dem Straßenbelag verdampft und verströmte dabei einen drückenden und pestilenzartigen Gestank.
„Wir müssen fort von hier!“, schrie jemand über die Menge hinweg und sofort setzten die Menschen sich in Bewegung.
Michael zog Eleanor hinter sich her. William taumelte unsicher hinterdrein, bis Eleanor seine Hand ergriff und ihm half. Sie verfielen in einen schnellen Laufschritt durch die Straßen der Stadt, durch Hinterhöfe, unter Brücken und Unterführungen hindurch, stets vorsichtig nach allen Seiten spähend, um den Horden der versprengten Akoloythoi zu entgehen. Immer wieder hörten sie in den umliegenden Straßen und Gassen das Wutgeheul und die Schmerzensschreie der Dämonen, doch die schweigende Menschenmenge beachtete sie kaum. Verwirrt sah Eleanor sich um. Was waren das für Menschen und wie kam Michael zu ihnen? Eine eigenartige Atmosphäre lag in der Luft, Euphorie und Kampfeslust blitzte aus den Augen der Menschen, fast, als sei heute ein lang ersehnter Tag eingetreten. Eine unerklärliche Erleichterung war den Menschen anzumerken, doch Eleanor wagte nicht zu fragen, da wie auf ein unhörbares Signal hin niemand die Stimme erhob.
Endlich verlangsamten sie das Tempo, als sie sich einer hohen steinernen Umfassungsmauer näherten, hinter der Eleanor einen städtischen Friedhof erkannte. Die Menschen drängten sich still durch eines der Eingangstore und hielten auf ein Gebäude zu, welches nicht weit entfernt am Wegesrand stand. Eleanor erkannte es als Krematorium, doch sie hatte kaum Zeit, sich darüber zu wundern. Schon umfing sie eine ungewohnte Kühle und Dunkelheit, als sie das Gebäude betraten. Beinahe schlagartig fiel die Stille von den Menschen ab. Das erste Gelächter erklang, man schlug sich anerkennend auf die Schultern und eine Kakophonie unverständlicher Satzfetzen und Jubelschreie umtobte Eleanor. Irritiert sah sie sich um und erst jetzt fiel ihr ein Mädchen auf, das ihr schon draußen auf der Straße gefolgt war. Sie war klein, doch vermutlich nicht viel jünger als Eleanor selbst. Unverwandt sah sie zu ihr hinüber und sie hatte etwas im Blick, was Eleanor bekannt vorkam.
„Elizabeth?“, flüsterte sie.
Ein schüchternes Lächeln zog über Elizabeths Gesicht, dann nickte sie.
Erst jetzt ließ Michael Eleanors Hand los. Die ersten Schritte der Mädchen waren zögerlich und langsam. Dann jedoch liefen sie aufeinander zu und fielen sich in die Arme.
„Elizabeth! Was macht ihr hier? Wie seid ihr denn nur hierhergekommen?“, stammelte Eleanor. Jetzt weinte sie fast vor Erleichterung.
„Wir konnten dich doch nicht allein durch die Hölle gehen lassen…“, schluchzte Elizabeth. „Wir mussten doch nach dir suchen…“
Eleanor drückte sie fest an sich. Erst jetzt hatte sie das Gefühl, den Gefahren der Hölle wirklich trotzen zu können. Mit diesen Freunden an ihrer Seite würde sie
Weitere Kostenlose Bücher