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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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anderen Hand. Keiner von ihnen würde seinen Partner noch einmal hergeben. Auch diese Reise ins Innere der Hölle konnte daran nichts ändern.
    Ein paarmal waren sie plötzlich stehengeblieben und hatten mit eingezogenen Köpfen nach oben geschaut, nachdem sie das Rauschen mächtiger Flügel zu hören geglaubt hatten. Beim letzten Mal waren sie sich zudem sicher gewesen, auch den Schatten riesiger Flügel in der Wolkendecke über sich ausmachen zu können. Doch die Gefahr war vorübergezogen und niemand war zu Schaden gekommen. Eleanor wurde erst jetzt klar, dass sie gegen einen Dämon keine Chance haben würde. Sollten sie einem von ihnen in die Hände fallen, wären sie geliefert, denn der Schutz, den sie als Lebende genossen hatten, würde hier nicht gelten. Als Bewohner der Hölle war man den Dämonen schutzlos ausgeliefert. Eleanor schauderte bei diesem Gedanken.
    „Wir kommen näher!“, hörte sie Tobys Stimme hinter sich. Sie blickte auf und sah die brennende Wolkendecke nun fast über sich. Die Luft flirrte hier bereits vor Hitze und doch konnte keiner von ihnen etwas fühlen. Keinen Körper mehr zu besitzen, der an diesem Ort Schaden nehmen konnte, schien Eleanor in diesem Augenblick ein unschätzbarer Vorteil zu sein.
    Sie waren indes nur kurze Zeit weitergelaufen, als Kathryn rief: „Dort vorn, dort scheint es eine Grenze zu geben!“
    Die sechs hielten an und blickten voraus. Und tatsächlich, nur etwa einen Steinwurf entfernt von ihnen sahen sie einen Fluss die Ebene durchtrennen. Ruhig und gemächlich floss er unter dem brennenden Himmel dahin, doch seine Oberfläche war tintenschwarz und bedrohlich. Der Gedanke, ihn überqueren zu müssen, löste bei allen ein tiefes und unbestimmtes Grauen aus. Fast wie ein Lebewesen lag er vor ihnen, ein Lebewesen, dessen Gefährlichkeit sich ein jeder instinktiv bewusst war.
    Während sie langsam auf sein Ufer zugingen, fragte William beklommen: „Wie kommen wir da hinüber? Er sieht nicht aus, als könnte man ihn durchwaten.“
    Eleanor schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“
    Mittlerweile hatten sie sich dem Fluss so weit genähert, dass sie Einzelheiten erkennen konnten. Das Wasser floss zwar träge und ohne Wellen, doch schneller dahin, als man von Weitem hatte erkennen können. Es würde schwierig oder gar unmöglich sein, ihn zu durchschwimmen. Sein Wasser war so tintenschwarz, dass er kaum eine Spiegelung der brennenden Wolken über sich zurückwarf. Doch das Grauenerregendste war, dass immer wieder für kurze Zeit menschliche Gliedmaßen aus ihm auftauchten die sich für einen kurzen Moment an der Oberfläche hielten, bevor sie wieder in seinen finsteren Tiefen verschwanden. Eleanor hielt sich vor Entsetzen die Hände vor den Mund. Dies war eine Grenze, die zu überwinden ihnen vielleicht nicht gelingen würde.
    „Wir könnten am Ufer entlanggehen, bis wir auf eine Brücke oder so etwas stoßen“, war Allys‘ Stimme schüchtern hinter Eleanor zu hören.
    „Ich würde sagen, uns bleibt nichts anderes übrig“, erwiderte Eleanor schaudernd. Es fiel ihr schwer, den Blick von dem Grauen vor ihr abzuwenden. Zögernd setzte sie sich nach rechts in Bewegung, während die anderen ihr folgten. So gingen sie den schwarzen Fluss entlang, Stunde um Stunde, Tag um Tag, keiner von ihnen hätte es sagen können. Denn ebenso wenig, wie sich der Himmel im Laufe der Zeit zu Tagen oder Nächten änderte, so wenig änderte sich jetzt die Landschaft. Wie weit sie auch gingen – der Fluss zu ihrer Rechten und die schwarze Ebene zu ihrer Linken blieben vollkommen gleich und fast schien es, als würde die kleine Gruppe sich nicht vom Fleck bewegen.
    „Ich fürchte, so hat es keinen Sinn“, meldete sich Robert schließlich zu Wort und sprach damit aus, was alle dachten. „Wir müssen irgendwie anders dort hinüberkommen.“
    „Irgendwelche Vorschläge?“, fragte Toby.
    Ratloses Schweigen war die Antwort. Sie sahen sich hilflos an und blickten dann wieder auf den Fluss, der mehr denn je unüberwindbar schien.
    Langsam ging Eleanor hinunter zum Ufer, wo sie zögernd stehenblieb.
    „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein könnte, in die Hölle zu gelangen.“, sagte sie. „Dass man nicht hinauskommt war mir klar – aber hinein…?“
    „Eleanor… hast du das gesehen?“, flüsterte plötzlich die Stimme Williams an ihrer Seite. Sie hatte keineswegs mitbekommen, dass er ihr gefolgt war und zuckte nun erschrocken zusammen.
    „Was meinst du?“,

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