Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
findest, haben die kranken Seelen der Menschen hierhergebracht. Oder die Dämonen!“
Eleanor verstand. Langsam nickte sie.
„Wie hieß der Dämon, der euch das angetan hat?“, fragte sie den Nächststehenden. Es war Toby.
„Wir wissen es nicht“, erwiderte er unter Tränen. Noch immer hielt er sich krampfhaft an Kathryn fest, so als fürchtete er, sie jeden Moment wieder zu verlieren.
Eleanor verzog den Mund und biss die Zähne aufeinander. Wenn dies ein Vorgeschmack auf die kommenden Schrecken der Hölle war, dann stand ihnen wahrhaftig Fürchterliches bevor.
„Sagt, kennt ihr jemanden der Raphael heißt? Oder Lilith? Ich suche die beiden“, fragte sie schließlich.
Die sechs schüttelten den Kopf. Sie alle standen noch immer unter dem Schock, den ihre aufgezwungene Blindheit und die Isolation angerichtet hatten. Sie krallten sich beinahe verzweifelt aneinander fest, wie Schiffbrüchige, die nach vielen Stunden auf hoher See endlich eine Planke hatten erreichen können, die ihnen nun Halt und Sicherheit war. Sie wären nie in der Lage gewesen, ihrer Retterin zu danken oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Eleanor wandte sich ab.
„Was wollen wir nun tun?“, fragte William bedrückt. „Wir sollten hier nicht bleiben.“
„Dann lass uns weiterlaufen. Es wäre auch zu einfach gewesen, wenn diese Menschen uns hätten helfen können.“
Eleanor seufzte. Dann setzte sie sich wieder in Bewegung, doch ein plötzlicher Ruf ließ sie noch einmal anhalten. Es war Toby, dessen Stimme sie vernommen hatte.
„Wo… wo sollen wir hin?“, fragte er verwirrt. Ihm war anzusehen, dass er aus Sorgen um ihrer aller Sicherheit zu Eleanor gehen wollte und doch ließ er Kathryn nicht einen Augenblick lang los. Immerhin schien er der erste zu sein, der durch all seine Angst hindurch langsam wieder rational zu denken begann.
„Wo ihr hin sollt…?“, stutzte Eleanor. „Ich weiß es nicht. Ich fürchte, ihr werdet hier nirgendwo sicher sein…“
Kathryn und Allys begannen wieder zu weinen, während die anderen Eleanor fassungslos anblickten.
„Nirgendwo?“, fragte Robert. „Aber… wo wollt ihr denn hin? Seid ihr auf dem Weg hier heraus…?“
Eleanor lachte gequält auf. „Du bist an einem Ort, der keinen Ausgang hat. Zumindest keinen, von dem wir wüssten. Und wir zwei…“, sie deutete auf sich und William, „…wollen sogar noch tiefer in diesen Ort, denn wir suchen jemanden. Ich kann euch wirklich nicht sagen, was an eurer Stelle zu tun ist. Nur den Dämonen solltet ihr lieber nicht wieder zu nahe kommen!“
Die Sechs zuckten zusammen und blickten angsterfüllt zum Himmel. Auch William sah sich unwillkürlich um.
„Was wollt ihr an diesem Ort?“, fragte Marcus, während sein Blick hinüber zum lodernden Horizont wanderte. „Lohnt es sich denn tatsächlich so sehr für dich, dort nach jemandem zu suchen?“
Eleanor atmete tief ein. „Hast du denn nicht verstanden, warum ihr mit Blindheit geschlagen wurdet?“, fragte sie. Ihr Ton klang plötzlich weit schärfer als beabsichtigt. „Würdest du für deine Claudia diesen Weg nicht auf dich nehmen? Vielleicht hätte ich dich blind lassen sollen, wenn du deine Lektion noch nicht gelernt hast!“
Marcus zuckte zusammen. In diesem Augenblick wagte er nicht, die Frau an seiner Seite anzusehen. Eleanor hatte die Worte an ihn gerichtet, doch sie alle hatten verstanden, dass ein jeder von ihnen gemeint gewesen war. Ja, wie hätten sie selbst wohl gehandelt?
Seltsamerweise war es Williams Stimme, die das peinliche Schweigen durchbrach.
„Habt keine Angst für das Richtige einzustehen!“, sagte er. „Ich habe im Leben auch falsch gehandelt, aber jetzt will ich es wiedergutmachen. Obwohl ich weder Raphael noch Lilith kenne, begleite ich sie auf ihrer Suche, denn auf diese Weise kann ich etwas von der Selbstsucht die mich an diesen Ort gebracht hat, von meiner Seele nehmen.“
„Du begleitest sie, obwohl dich ihre Suche nichts angeht?“, fragte Robert bewegt.
William nickte. „Wenn Eigennutz dich in die Hölle bringen kann, vielleicht bringt Selbstlosigkeit einen wieder hinaus…“
Eine Weile war es ganz still. Dann begann Robert zu nicken. Erst in diesem Augenblick ließ er Allys‘ Hand los. Langsam ging er auf Eleanor und William zu, dann blieb er vor ihnen stehen und zum ersten Mal erschien so etwas wie ein gequältes Lächeln auf seinem Gesicht.
„Was du sagst klingt gut und richtig!“, stellte er fest. „Ich würde gern mit euch
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