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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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friert, weil du diesen verfluchten Fluss mit all seinen verlorenen Seelen berührt hast!“
    Alle Umstehenden nickten. Nur so konnte es sein. Und dennoch zeigte es, dass diesem finsteren Grenzfluss eine Macht innewohnte, die Ungeheuerliches anzurichten vermochte.
    „Komm, Liebes. Steh auf“, sagte Robert sanft und half Allys auf die Beine. „Es wird dir bestimmt gleich besser gehen.“
    „Besser? In dieser Hölle?“, wimmerte Allys. Doch sie stand gehorsam auf und ließ sich von ihrem Mann in die Arme nehmen. Die anderen standen betreten daneben und warteten still ab, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. Schließlich hob sie das Gesicht und nickte Eleanor tapfer an. Dann setzten sie alle sich wieder in Bewegung.
    Auf dieser Seite des finsteren Stromes war die Landschaft kaum weniger lebensfeindlich als an jenem Ufer, das sie verlassen hatten. Dieselben schwarzen Felsen, bar jeder Vegetation oder Tierwelt. Einzig der Himmel hatte sich verändert, denn die brennenden und glühenden Wolken rasten nun unmittelbar und tief über ihren Köpfen dahin. Sie tauchten das Land in ein erbarmungsloses flackerndes Licht, ließen die Luft vor Hitze flirren und folterten das tote Land durch ihre bloße Existenz. Noch immer zogen sie in atemberaubendem Tempo gen Osten, dort war ihrer aller Ziel. Beinahe sehnsüchtig blickten einige der Menschen über ihre Schulter zurück, wo sie am Horizont noch immer jene dunkle Stelle über dem Fluss erkennen konnten, an der die Wolken einfach nur finster und doch um so viel weniger tödlich wirkten. Gegen diesen Ort wirkte die Vorhölle beinahe friedlich.
    Ein hohes Kreischen ließ sie zusammenzucken und gleichzeitig richteten sich sechs Augenpaare zum Himmel. Für den Bruchteil einer Sekunde vermeinte Eleanor in den brennenden Wolken den Schatten von Flügeln ausmachen zu können, doch mochte dies ebenso gut eine optische Täuschung gewesen sein, da das Auge dort oben in dem grellen Licht kaum feste Strukturen zu unterscheiden vermochte.
    Verunsichert und ängstlich sahen sie einander an. Dann liefen sie weiter.
    „Stimmt es, dass jeder Kreis der Hölle für eine bestimmte Sünde steht?“, fragte Eleanor William an ihrer Seite.
    „In gewisser Weise“, antwortete diese r. „Jeder Kreis steht eigentlich für die Schwere der Sünde, aber da eben nicht jede Sünde gleich viel wiegt, wirst du bestimmte Sünden nicht in jedem Kreis finden. Die Mörder zum Beispiel sitzen ganz tief drin in der Hölle, in den innersten Kreisen. Die aus der Vorhölle haben nicht vorsätzlich gemordet, nur weggeschaut, obwohl das schlimm genug ist. Aber dort findet man auch viele Selbstmörder wie Vater Erik. Menschen, die den Test von sich aus abgebrochen haben.“
    Eleanor zuckte zusammen, als William wie selbstverständlich von einem ‚Test‘ sprach. Ein kaltes Wort für etwas so großes wie das Leben.
    „Vor allem wirst du in den Tiefen der Hölle jene finden, die nicht zur Reue fähig sind“, fuhr William fort. „Zur Sünde gehört die böse Absicht. Und hat man dieser erst einmal nachgegeben, dann ist es umso schwerer, seine Handlung als falsch zu erkennen. Während wir aus der Vorhölle unsere Sünde eingesehen haben, so wird das bei den schweren Fällen nicht zu erwarten sein – die sind immer noch der Ansicht, richtig gehandelt zu haben.“
    Eleanor musste an etwas denken, das Raphael einmal gesagt hatte. „ Samael ist raffiniert“, waren seine Worte gewesen. „Er wird es so darstellen, als ob es nur zwei Wege gäbe, die du beschreiten kannst. Beide werden dir falsch und unsicher erscheinen. Beide werden dir sündig erscheinen, aber einer von beiden wird einen Funken Gutes beinhalten. Samael wird davon ausgehen, dass du diesen der beiden Wege beschreitest, weil er dich zumindest ein wenig wird glauben lassen, dass du richtig gehandelt hast.“
    „So muss es sein“, dachte Eleanor. „Die Sünde kommt immer im Gewand der Rechtschaffenheit daher. Wir glauben, dass sie die bessere Alternative ist. Aber was hat Raphael damals gesagt? ‚Gehe den dritten Weg. Jenen, der dir nicht aufgezeigt wurde…‘.“
    Ein Geräusch durchbrach die drückende Stille und riss Eleanor aus ihren trüben Gedanken.
    Auch die anderen hatten es bemerkt und unwillkürlich ihren Schritt verlangsamt. Die Quelle des Geräusches kam vor vorn, doch noch war keiner von ihnen in der Lage zu sagen, worum es sich wohl handeln mochte. Es lag ein unbestimmtes Heulen in der Luft, gleich Wind, der durch einen hohen Kamin jagt

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