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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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besah voll Verwunderung die sechs Gestalten, die angstvoll vor ihnen zum Stehen gekommen waren. Noch nie zuvor hatte sie etwas Derartiges zu Gesicht bekommen und ohne den Blick von ihnen wenden zu können flüsterte sie voll Abscheu: „Raphael, was sind das für Wesen?“
    Die sechs Gestalten hatten im Wesentlichen menschliche Form, doch sie waren von ungewöhnlich grauer Farbe mit einer teigigen Haut und sowohl die Anzahl ihrer Gliedmaße als auch ihr fehlendes Gesicht ließen sie unheimlich wirken. Dennoch konnte es keinen Zweifel daran geben, dass sie offenbar in großer Furcht vor Raphael und Lilith waren.
    „Akoloythoi!“, zischte Raphael, als würde das alles erklären. „Was macht ihr hier? Ihr habt es ungewöhnlich eilig!“
    Der Anführer der Gruppe – ein großes Exemplar mit Peitschenschwanz – gab ein wimmerndes Geräusch von sich, das kaum zu ihm zu passen schien. Zitternd legte er den Kopf schief und zuckte mit den Schultern. Dann riss er den riesigen, lippenlosen Mund auf und formte unbeholfen einige Worte.
    „ Nicht falsch… suchen Seelen… Schmerzen… Flucht… “
    Lilith blickte Raphael fragend an, doch dieser beachtete sie gar nicht.
    „Ihr sucht Seelen?“, fragte er angewidert. „Was meinst du? Was für eine Flucht?“
    „ Sechs Menschen… Flucht… suchen… “
    Der Akoloythos zeigte auf sich und seine Begleiter.
    „Was für Menschen waren das?“, herrschte Raphael ihn an. In diesem Augenblick war er kaum noch Herr seiner Sinne.
    „ Drei Mann… drei Frau… “, der Akoloythos hielt inne und kramte ungeschickte in seinem Kopf nach den richtigen Worten. „… ein Frau sehr jung… Anführer… sie Schmerzen uns… “
    „Sie hat euch Schmerzen zugefügt? Wie?“ Jetzt schrie Raphael beinahe.
    Einen Augenblick lang zögerte der Akoloythos. Es war offensichtlich, dass er nach Worten rang und sie vor lauter Furcht im Angesicht zweier Engel nicht fand. Dann trat er zitternd und bebend auf Raphael zu und streckte die Hand aus um ihn zu berühren. Doch Raphael war schneller. Im Bruchteil einer Sekunde schnellte seine Hand vor, packte den großen Akoloythos und riss ihm den Arm ab. Dann war er plötzlich über ihm, riss mit einer schnellen Bewegung seinen Kopf zurück und mit einem gleißenden Aufleuchten verbrannte der Akoloythos zu Staub, der über die steinerne Ebene wehte. All das hatte nur wenige Sekundenbruchteile gedauert. Einen Augenblick lang waren die Begleiter des toten Akoloythos wie erstarrt. Dann warfen sie sich zu Boden, wimmerten, kreischten und schrien vor Furcht.
    Voll Abscheu blickte Raphael auf sie herab, dann herrschte er sie an: „Gebt Ruhe! Warum hat er mich berühren wollen?“
    Nur langsam beruhigten die Akoloythoi sich. Noch immer knieten und lagen sie voll Angst vor Raphael im Staub. Im Vergleich zu den Seelen der Sünder mochten sie stark und mächtig sein, doch gegen einen Engel konnten sie nichts ausrichten. Die Furcht vor dem, was ein Engel ihnen antun konnte, ließ sie ihr Innerstes zeigen und dort war nur Feigheit und Angst. Raphael musste seine Frage mehrfach wiederholen, bis sich schließlich einer von ihnen so weit gefasst hatte, dass er antworten konnte.
    „ Berühren… Schmerzen…! “, wimmerte und krächzte er. „ Mädchen… berühren Akoloythoi … großes Schmerz… großes heiß… nicht ertragen… Gnade… Gnade…! “
    „Wo sind sie hin?“, flüsterte Raphael. Plötzlich war er ganz ruhig geworden.
    Der Akoloythos wies über die Schulter zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    „ Fluss… sie über Grenzfluss… wir suchen Furt… “
    Raphael zögerte. „Sie hat es über den Fluss geschafft?“, fragte er zweifelnd.
    „ Ja Herr, ja… “
    Raphael sah verwirrt zu Lilith hinüber, die noch immer still da stand und die Szene bislang wortlos verfolgt hatte. Dann wandte Raphael sich den fünf Akoloythoi zu, die im Staub zu seinen Füßen lagen. Schließlich atmete er tief durch, dann ging er zwischen ihnen hindurch und berührte sie wie beiläufig. In fünf hellen Stichflammen verbrannten sie, ohne noch einen Laut von sich gegeben zu haben.
    „Du kannst wirklich unheimlich sein, Raphael!“, erklang Liliths Stimme von hinten. Er wandte sich um.
    „Das waren Akoloythoi“, erwiderte er, als würde das alles erklären. Doch Liliths verständnisloser Blick ließ ihn innehalten.
    „Sie sind die Aasgeier der Hölle“, sagte er. „Sie sind die einzigen Wesen in diesem Universum, die nicht von Gott erschaffen

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