Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
Licht getrennt ist, erlischt das Göttliche Feuer in uns. Dann sterben wir.“
„Das ist nicht richtig!“, weinte Eleanor. „Es muss doch einen anderen Weg für dich geben…“
„Den gibt es nicht. Du magst andere von meiner Art befreit haben, aber mich rettet das nicht.“
„Warum nicht?“, flüsterte Eleanor unter Tränen.
Wieder wollte Siriels Röcheln kein Ende nehmen, bevor er antwortete.
„Weil ich schon zu schwach bin, um genesen zu können. Und weil ich nicht in die Finsternis zurückwill, die du mir bietest.“
„Finsternis? Welche Finsternis?“
„Dieses Leben!“ Siriel blickte an ihr vorbei auf den schmutzigen Gang, in dem sie sich befanden. „Du könntest mich vielleicht in mein altes Leben zurückführen. In jenes Leben, das ich seit Jahrtausenden ertragen muss. Aber an Gottes Seite wirst du mich nicht bringen. Dazu müsste ich bereuen und etwas tun, was die Sünden meines Aufenthalts in diesem Universum aufhebt. Und das kann ich nicht…“
„Du kannst nicht bereuen…?“
„Nein. Ich denke noch immer, dass Gott der Herr uns nicht auf den Menschen hätte treffen lassen dürfen. Dies war eine Prüfung, die wir nicht bestehen konnten… eine Prüfung, an der wir scheitern mussten…“
Siriels Worte waren immer leiser geworden und zuletzt fast unhörbar geworden. Nun schloss er die Augen.
„Nein!“, schrie Eleanor. „Bleib hier. Du darfst nicht gehen! Geh nicht!“
Sie rüttelte Siriels Kopf in ihrem Schoß, doch dieser vermochte kaum zu reagieren. Ein letztes Mal noch öffnete er die Augen.
„Ich werde meine Sünden nicht mehr korrigieren können“, flüsterte er, während er Eleanors Blick suchte und seine Augen sich zu verschleiern begannen. „Aber ich bin froh, dass du in diesem Augenblick hier bist… dass ich nicht allein bin… ich bin nackt in der Dunkelheit… Gott wartet nicht auf mich… auf der anderen Seite…“
Unendlich mühevoll hob er seine Hand und fasste nach Eleanor. Ein sanftes Lächeln zog sich über sein Gesicht. Ein Lächeln, das schon nicht mehr von dieser Welt war. Dann begannen seine Augen wieder zuzufallen.
„Licht!“, schrie Eleanor. „Licht! Wir brauchen Licht!“
Hinter ihr entstand Unruhe, als die Menschen sich fassungslos ansahen und mit den Füßen scharrten. Keiner von ihnen hatte eine Lichtquelle und um an diesem Ort Feuer zu schlagen, fehlten ihnen die Möglichkeiten.
Unter Tränen sah Eleanor auf den Engel in ihren Armen, dessen inneres Licht plötzlich zu flackern begann. Und dann, ganz sanft, verblasste er plötzlich. Von einem Augenblick auf den anderen war Siriel verschwunden und nichts von ihm war übrig geblieben.
Eine Weile war es ganz still im Gang. Dann schließlich kniete sich William neben Eleanor und ergriff ihre Hand.
„So also stirbt ein Engel!“, sagte er tonlos. Er wagte nicht, sie anzusehen. Eleanor hatte wieder zu weinen begonnen. Die Tränen liefern ihre Wangen hinab und ihre Schultern zuckten unkontrolliert.
So starb ein Engel? Sie konnte es nicht fassen. Hatte es wirklich keine Möglichkeit gegeben, ihn zu retten? Waren sie einfach nur zu spät gekommen, oder war Siriel schon seit Jahren verloren gewesen? Was, wenn sie Licht gehabt hätten? Sicher hätten sie ihn dann lange genug stabilisieren können, um ihn für sich zu gewinnen. Dann wäre ihm vergeben worden. Doch andererseits hatte er schon vor allzu vielen Jahren jeden Lebenswillen verloren. Wie konnte sie sich nun anmaßen, ihn retten zu können? Eleanor hätte schreien mögen. Hätte Siriels Körper noch in ihren Armen gelegen, so hätte sie ihn zornig geschüttelt. Doch stattdessen kauerte sie hier in der Dunkelheit mit leeren Händen und einem noch leereren Herzen. In diesem Augenblick schien es ihr, als sei Siriel aus diesem Tunnel direkt in ihre Seele gefahren und füllte sie mit der gleichen Verzweiflung, die er über Jahrtausende hatte ertragen müssen.
Wie mochte es gekommen sein, dass er so am Leben verzweifelt war, während andere Engel bis heute überlebt hatten? Sicher, auch Raphael hatte sich in die Hölle seiner kranken Seele zurückgezogen, aber er hatte niemals mit dem Gedanken gespielt, auf solch grausame Weise aus diesem Universum auszubrechen…
Doch halt, das stimmte nicht. Auch er hatte solche Gedanken gehabt. Er hatte es ihr doch erzählt: Nur ein Kampf mit Lilith, und der Tod wäre ihm sicher gewesen. Eleanor hatte ihn nie gefragt, was ihn damals davon abgehalten hatte. Damals, als auch sein Leben auf Messers Schneide
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