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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Landsleuten unter Heiden leben müssen, die kein Wort Englisch sprachen und sich nicht um sie kümmern würden, Hauptsache, sie brachten ihre Kosten wieder ein.
    Jetzt waren sie an der Reihe. Als sie von ihrem Podium herabstiegen, verglich der Auktionator ihre Namen mit einer Liste, die die Schreiberin der amina am Morgen angefertigt hatte, und fing dann an, sie mit hoher Stimme in seiner barbarischen Sprache anzupreisen. Maria Kellynch und Chicken wurden als Erste zusammen verkauft, gleich danach folgten Ann Fellowes und ihr kleines Mädchen, Mary. Für Anne Samuels und Nan Tippet fanden sich keine Interessenten. Matty, Alice Johns und deren Sohn James wurden vom selben Bieter ersteigert - einem respektabel aussehenden Mann mit prächtigen Gewändern, dessen langer schwarzer Bart sich zu kleinen öligen Löckchen ringelte und der seine Ohrläppchen und Unterarme mit Gold geschmückt hatte. Er trug einen reich verzierten Stab und war in Begleitung von zwei Jungen in Uniform, die aussahen wie Lakaien aus einem wohlhabenden europäischen Haus.
    Als der dilaheen zu Cat kam, machte er eine Pause. Dann hob er die Stimme noch mehr an und nahm ihr den Schleier ab, sodass ihr feuerrotes Haar sichtbar wurde. Auf der Stelle geriet die Menge in Aufruhr, und die Menschen begannen zu rufen und ihre Angebote zu schwenken. Cat biss die Zähne zusammen, obgleich sie wacklige Knie hatte. Jetzt, da der Moment gekommen war, an dem sie verkauft werden sollte, merkte sie, dass sie Todesangst hatte. Selbst der Schmutz in der mazmorra war besser, als an diesem Abgrund zu stehen. Wer würde sie kaufen? Der fette Händler mit dem gierigen, feisten Gesicht? Der schmale,
grausam aussehende Kerl mit der Hakennase und dem schlichten weißen Gewand, der keinen Ton von sich gab, sondern nur diskret die Hand hob, während sich die Anbieter gegenseitig übertrumpften? Die beiden jungen Männer ganz vorn, die sie mit ihren hinterhältigen schwarzen Augen verschlangen? Der Freibeuter mit dem groben Gesicht, der nach zu viel Alkohol torkelte und sich auf seinen ebenso betrunkenen Freund stützen musste? Sie hatte ihn für einen Engländer gehalten, doch als er sein Gebot abgab, war es in einer Sprache, die sie nicht kannte und ihr jede Hoffnung nahm, ihren Käufer zu bitten, sie in Sicherheit zu bringen, bis das Lösegeld eintraf, auch wenn dies nur ein Vorwand sein mochte. Sie sah von einem zum anderen, und ihr wurde übel. Dann schoss plötzlich einer der beiden jungen Männer vorwärts, und gleichzeitig blitzte etwas in seiner Hand auf.
    Cat sah einen kleinen Krummdolch auf sich zukommen, schrie auf und versuchte wegzulaufen, doch die Fußfesseln hinderten sie daran. Sie stolperte, fiel zu Boden und riss auch Nan Tippet und Matty mit sich. Dann brach Chaos aus: Leute riefen durcheinander und rempelten sich gegenseitig an, eine Frau hörte gar nicht mehr auf zu schreien. Cat richtete sich halbwegs auf und sah, wie der dilaheen dem jungen Mann, der sie angegriffen hatte, einen Hieb mit der Peitsche verpasste. Der Dolch flog zur Seite, blitzte in der Sonne auf, und als Cat wieder auf beiden Beinen stand, waren er und sein Freund verschwunden.
    Als wäre nichts Ungewöhnliches passiert, rief der Auktionator zur Fortsetzung der Versteigerung auf, die Menge drängte sich wieder nach vorn, und der dilaheen zeigte mit dem Stock auf einen nach dem anderen, um die Angebote zu bestätigen. Einmal sah es schon beinahe so aus, als wäre die Grenze erreicht, doch dann hob ein ungewöhnlich großer Mann mit dunkelblauem Turban ganz hinten die Hand. Er machte eine komplizierte Geste mit den Fingern, und der dilaheen senkte zustimmend den Kopf. Ein Raunen flog durch die Menge, und die Anwesenden
wandten die Köpfe, um zu sehen, wer den Handel abgeschlossen hatte. Doch die hochgewachsene Gestalt war bereits dabei, den Marktplatz zu verlassen. Die Leute wandten sich ab und murmelten enttäuscht; die meisten hatten kein Interesse an den übrigen Sklaven.
    »Er wollte dich umbringen«, flüsterte Matty eindringlich, als sie weggeführt wurden, damit Geld und Schuldscheine ausgetauscht werden konnten. »Warum nur?«
    Cat hatte keine Ahnung. Wie sollte sie auch?
    »Sie hassen uns«, sagte Jane Tregenna mit blassem Gesicht. »Sie hassen uns und wollen uns am liebsten tot sehen.« Sie berührte die Wange ihrer Tochter. Eine so zärtliche Geste hatte Cat im ganzen Leben noch nicht von ihrer Mutter empfangen. »Möglich, dass wir uns nach diesem Tag nie wiedersehen,

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