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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Meer warf.
    »Zum Teufel!«, fluchte Marshall. »Besser, wir erreichen den Schutz der Bäume, bevor die Sonne aufgeht, oder wir sind eine leichte Beute. Im Marmora-Wald wimmelt es nur so von Ausgestoßenen und entflohenen Sklaven, die einem die Kehle aufschlitzen, sobald sie einen entdecken.«
    Sie stolperten den Hügel hinauf. Schenkel und Waden protestierten gegen diese rohe Behandlung nach der wochenlangen Überfahrt, auf der sie nicht viel zu tun gehabt hatten. Rob spürte, wie seine Muskeln von schlechtem Essen und mangelnder Bewegung in den wenigen Wochen auf See erschlafft waren. Marshalls Vorsprung wurde immer größer, deshalb biss er die Zähne zusammen, verdrängte den Gedanken an den schweren Ranzen auf seinem Rücken und das ungewohnte Schwert, das
gegen seine Beine schlug, und kraxelte ihm nach. Wenn er Marshall verlor, war die Wahrscheinlichkeit zu überleben gleich null, ganz zu schweigen vom Erfolg seiner Mission. Nach einer Weile merkte er, wie ihm ein Kinderlied durch den Kopf ging, und seine Füße im Takt dazu durch Geröll und Unterholz stampften.
    Wenn an meinem offnen Grabeshügel
Fromme Dankbarkeit
Mir, weil gern ich Freuden schaffte,
Still ein Thränchen weiht.
    Die altvertrauten Reime trieben ihn den Hügel hinauf. Erst eine ganze Weile später, als Marshall die rudimentäre Karte aus Wachstuch studierte und er selbst mit dem Rücken an einen Baum gelehnt dasaß, die Blutegel entfernte (sieben an der Zahl: das brachte Glück) und aus seinen Stiefeln Wasser, Unkraut und einen zerquetschten Frosch entfernte, fiel ihm ein, woher das Kinderlied stammte: von einer Stickerei, die Cat als kleines Mädchen angefertigt hatte, weil der makabre Unterton sie fasziniert hatte. Heute hing dieses Stück Stoff in dem dunklen Gang vor ihrer Tür im Dienstbotentrakt von Kenegie. Wie oft hatte er dort gestanden und blind auf die kindlichen Buchstaben gestarrt, wenn er versuchte, sich zu sammeln, bevor er an ihre Tür klopfte? Die Szene war so schmerzlich klar in seinem Kopf, dass er beinahe selbst in Tränen ausbrach.
    »Darf ich fragen, von welcher Art Eure Geschäfte mit diesen Menschen sind?«, fragte er Marshall.
    »Nein«, antwortete der andere knapp. »Die Einzelheiten dieser Angelegenheit sind nur der Gesellschaft und unseren Handelspartnern bekannt und gehen dich nichts an.«
    »Bin ich denn nicht Teil der Gesellschaft? Immerhin habe ich die Aufgabe, Euch und die Unterlagen, die Ihr bei Euch habt, zu beschützen.«

    »Du bist weder das eine noch das andere, mein Junge. Was John sich dabei gedacht hat, als er mir einen unerfahrenen Grünschnabel wie dich als Leibwächter mitgab, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wenn du mich fragst, bist du hier nur geduldet, und wenn du nicht aufhörst, deine Nase überall reinzustecken, drehe ich dir eigenhändig den Hals um und erspare den vermaledeiten Straßenräubern die Mühe.«
    Rob saß da und beobachtete, wie seine Stiefel in der Sonne dampften. Nach einer Weile hielt er es nicht länger aus. »Dann beantwortet mir wenigstens noch eine Frage: Wie werden wir Sallee wieder verlassen, vorausgesetzt wir kommen dort überhaupt je heil an?«
    Marshall seufzte. »In fünf Tagen wird The Rose vor Sallee kreuzen. Sobald die Männer mein Zeichen erhalten, segeln sie so nahe heran, wie sie können, um uns wieder an Bord zu nehmen.«
    Mit diesen spärlichen Informationen musste Rob sich begnügen. Am Ende faltete Marshall die Karte zusammen, verstaute sie in seinem Gepäck und befahl ihm, seine Stiefel anzuziehen.
    »Wir müssen lautlos durch diesen vermaledeiten Wald schleichen - ohne einen Mucks. Und pass auf, wohin du trittst. Es gibt Mulden, Löcher, Dornen und alle möglichen Fallen für den, der sich nicht in Acht nimmt. Hier treibt sich übles Gesindel herum. Manche leben hier, andere flüchten sich hierher, und wieder andere sind nur auf der Durchreise, so wie wir. Aber alle haben einen Grund, sich zu verstecken, und dieser Grund hat im Allgemeinen kriminelle Wurzeln. Hier im Wald herrscht nur das Gesetz des Überlebens.«
    Das musste Rob erst einmal sacken lassen. »Mir scheint immer noch, wir wären besser gefahren, wenn wir mit vollen Segeln und schussbereiten Kanonen in den Hafen eingelaufen wären, Parteien hin, Parteien her.«
    »Du bist ein extrem naiver junger Mann, Robert Bolitho. Ich will es dir erklären. Wir dürfen uns aus mehreren Gründen
nicht dabei erwischen lassen, wie wir die Höhle des Löwen betreten, aber der wichtigste

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