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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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nach Marokko und hinterließ mir eine einschüchternde Nachricht in meinem riad -«
    »Das wusste ich nicht. Tut mir leid, Julia.« Sie verzog die Lippen. »Wie charmant von ihm. Aus Versehen geschenkt. Wie er sich selbst aus Versehen verschenkt hat, zweifellos. Michael glaubt, dass wir eine Menge Geld für das Altartuch bekommen, wenn wir nachweisen können, was es ist, und ich habe ihn bisher noch nicht eines Besseren belehrt. Tatsache ist, dass ich es dem Museum als Schenkung angeboten habe, falls seine Echtheit nachgewiesen ist. Unter der einzigen Bedingung, dass sie es mit der gesamten Familiengeschichte ausstellen müssen. Michael wird toben, wenn er das hört.« Sie kicherte. Plötzlich fiel mir auf, dass sich die Balance ihrer Beziehung ganz plötzlich zu ihren Gunsten verändert hatte und sie jede Sekunde ihre neu entdeckte Macht genoss.
    Dann fiel mir noch etwas ein. Ich sah sie eindringlich an. »Anna, ich habe immer gewusst, dass eure Familie wohlhabend war, aber, nun ja … das Altartuch wurde Lady William Cecil übergeben, der Countess of Salisbury …«
    Sie lachte. »Lady William Cecil, eine geborene Howard. Mutter stammte von den Howards ab, verstehst du.«
    Ich starrte sie mit offenem Mund an. »Du stammst aus der Howard-Familie? Der Howard-Familie, wie Catherine Howard und der Herzog von Norfolk und so weiter?«
    »Ja, aber heute ist das alles etwas verwässert. Immer noch ziemlich stattlich, aber wir besitzen längst nicht mehr die Hälfte von East Anglia. Alles, was ich geerbt habe, war Tante Sapphos
Haus in Suffolk, ein paar Anlagen und das Cottage. Ich glaube, dass die Familie für kurze Zeit auch St. Michael’s Mount besaß, es aber im Bürgerkrieg verkauft hat. Schade, ich hätte nichts dagegen, auf einer Insel zu leben.«
    »Du bist also reich?«
    Sie zuckte unbehaglich mit den Schultern angesichts meiner Unverblümtheit. »Nun, so weit würde ich nicht gehen. Sagen wir, begütert.«
    »Warum ist Michael dann so hinter dem Geld her?«
    Sie lächelte verlegen. »In meiner Familie wird über solche Dinge nicht gesprochen. Wir finden es vulgär. Michael hat keine Ahnung von meinem Vermögen.«
    Er war mit einer stinkreichen Frau verheiratet und hatte sich die ganze Zeit Sorgen um Geld gemacht. Ich musste laut lachen. »Er hat gesagt, du wärst knapp bei Kasse.«
    Jetzt musste Anna lachen. »Michael ist überzeugt, dass ein Baby uns ruinieren wird. Ich habe ihm gesagt, er könnte ja das Apartment in Soho verkaufen, wenn er sich solche Sorgen macht. Er war schockiert - es war ihm nicht einmal klar, dass ich davon weiß. Dabei wusste ich es seit Jahren. Ich habe euch zusammen gesehen, beim Reinkommen, beim Rauskommen, ein Dutzend Mal. Am Anfang ging es mir sehr schlecht, ich wäre fast wahnsinnig geworden. Ich bin ihm nachgegangen, habe ihn bespitzelt, wenn du so willst.«
    Ich schloss entsetzt die Augen. »Und du hast ihn oder mich nie zur Rede gestellt.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Du hättest ihn verlassen können, jemand anderen heiraten, einen, der es verdient hätte.«
    Sie wurde ganz still. »Ja, er ist ein Mistkerl, nicht? Aber ich liebe ihn, Anna. Ich liebe ihn wirklich, habe es immer getan und werde es weiterhin tun. Ich kann einfach nicht anders. Er ist meine Achillesferse, und gegen die Liebe ist kein Kraut gewachsen, oder?«

    »Nein«, sagte ich und lächelte.
    Dann strich ich noch einmal über Catherines Arbeit. Sie war einfach schön, umso mehr, als sie unfertig war. Es blieb ein Rätsel, ein Geheimnis. Das, was fehlte, ließ einen nicht los, und war das nicht genau das, worum es auch in der Liebe ging? Aber ein Geheimnis wollte ich noch lösen. Ich hob den Blick und sah Anna an. »Ich muss unbedingt wissen, was mit Catherine passierte«, sagte ich.
     
    Unten in der Bar bestellte Anna Drinks - jeweils ein Glas Weißwein für sie und mich. Idriss wollte zu meiner Überraschung ein Bier.
    »Noch ein Gesetzesbruch«, neckte ich ihn, doch er wirkte gequält. »Sie haben Recht, es ist Freitag. Vielleicht sollte ich lieber Wasser nehmen …«
    Michael wählte genau diesen Augenblick, um die Bar zu betreten. Große Schweißflecken hatten das Hemd unter den Achseln dunkel gefärbt. Er wirkte erhitzt und gereizt. Sein Blick glitt an den beiden Fremden vorbei, die vor ihm am Tisch saßen, und blieb an seiner Frau hängen. »Scotch, und zwar am besten gleich einen doppelten!«, rief er, und der Barkeeper - der offenbar glaubte, er müsste es sehr nötig haben - stellte hastig das Bier

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