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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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bestens.«
    Er stellte das Tablett ab. »Lipton’s, fürchte ich«, sagte er zu Anna. »Aber sie hätten Ihnen wahrscheinlich trotzdem erzählt, dass es Twinings ist.« Er zwinkerte mir kaum merklich zu, verbeugte sich und rauschte aus dem Zimmer.
    Anna sah ihm nach. »Arbeitet er hier?«, fragte sie verwirrt.

    »Nein.« Ich grinste.
    »Er scheint sich Sorgen um dich zu machen.«
    »Er ist ein sehr … netter Mann.«
    »Sei vorsichtig, Julia. Man hört schreckliche Geschichten über Frauen, die sich mit Marokkanern einlassen. Die meisten sind bloß scharf auf einen britischen Pass und ihr Geld.«
    »Es geht nicht immer nur um Geld, Anna.«
    Sie warf mir ein rasches, nervöses Lächeln zu. »Ich weiß. Entschuldige. Komm, wir lassen den Tee noch ein bisschen ziehen. Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Sie stand auf und ging quer durchs Zimmer zu einer eleganten Umhängetasche von Mulberry, die auf einem Kofferstand an der Wand lag. Sie klappte sie auf, öffnete den Reißverschluss zum Innenfach und nahm ein kleines, in weißes Seidenpapier eingewickeltes Päckchen heraus, das sie aufs Bett legte.
    »Als Alison uns erzählte, in dem Buch, das Michael dir geschenkt hatte, wäre ein Baum der Erkenntnis erwähnt, erinnerte ich mich an ein Familienerbstück, das mir meine Urgroßtante mit dem Haus in Suffolk hinterlassen hatte. Sie hatte gesagt, es sei für St. Michael’s, die Kirche in Framlingham in Auftrag gegeben worden, allerdings nie fertig gestellt und auch nie benutzt worden. Offenbar hatte es mit der puritanischen Abneigung gegen darstellende Kunst zu tun oder gegen jede Art von Dekoration, die einen vom Beten ablenken konnte. Ich fuhr also hin, um es zu holen …«
    Sie schlug das Papier auseinander und enthüllte ein langes Stück ehemals weißes Leinen, vergilbt vom Alter, hier und da mit gedämpften Herbstfarben geschmückt.
    Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals: Ich brachte kein Wort heraus. Ich streckte den Arm danach aus, berührte es andächtig und schlug es ganz auf, bis Catherines Baum der Erkenntnis vor uns lag, uralt und völlig unvereinbar mit dem bunten Synthetikstoff des Bettüberwurfs. Nur Teile der Stickerei waren fertig- die feine Bordüre aus Blättern und Blüten, ein Hase, ein paar Tauben
und der Apfel, alles wunderschön und realistisch vorgezeichnet, und darüber der Baum selbst, von Blättern umrankt, und die Schlange wand sich um den Stamm auf Eva zu, deren langes Haar ihre schlanke, weiße Nacktheit verbarg. Adam war in Umrissen auf ihrer anderen Seite erkennbar, doch seine Züge waren leer und verwischt, und alles Übrige war unvollendet geblieben. Dennoch war es prachtvoll. Überwältigt sank ich auf die Knie.
    »Das Altartuch der Countess of Salisbury«, sagte ich schließlich.
    »Ist es das? Bist du sicher?«
    Ich wühlte in meiner Handtasche und nahm Catherines Buch heraus, blätterte bis zu der Skizze, die sie gemacht hatte, und hielt sie neben das Tuch.
    Anna sah begeistert von einem zum anderen. Ihre Finger zeichneten Evas Konturen erst auf der Skizze, dann auf dem Stoff nach. »Fantastisch. Wie unglaublich! Dann ist es wirklich ihr Tuch. Das Altartuch der Countess of Salisbury. Ein echter Wandbehang aus dem siebzehnten Jahrhundert!«
    »Das ist ein Altartuch, kein Wandbehang«, korrigierte ich sie. »Und ich kann es nicht fassen, dass du mit einem so wertvollen Ding im Handgepäck nach Marokko geflogen bist.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich wusste, dass ich dich zu etwas überreden musste, und nur mit einem Foto in der Hand wäre es schwierig gewesen. Außerdem sind so viele abstruse Umstände daran beteiligt, dass ich glaube, das Schicksal hat seine Hand im Spiel.«
    Ich sah sie an. »Wozu wolltest du mich denn überreden?«
    »Du hast das Buch, und das ist der Beweis.«
    »Beweis?«
    »Beweis für seine Herkunft. Für das Victoria & Albert Museum . Das hätte sich meine Urgroßtante Sappho gewünscht. Ich habe eine Freundin, die in der Veröffentlichungsabteilung des Museums arbeitet, und sie kennt jemand aus der Textiliensammlung - sie wollen es unbedingt sehen. Ich habe gehofft, dass du
mitkommen und mit ihnen darüber sprechen würdest, wenn ich es ihnen zeige.«
    »Und ich habe geglaubt, ihr wolltet das Buch verkaufen«, sagte ich langsam. »Michael war ganz wild darauf, es zurückzubekommen. Er hat sogar meine Wohnung in London durchwühlt, weißt du. Dann folgte er mir nach Cornwall und erklärte, er hätte es mir aus Versehen geschenkt, anschließend kam er

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