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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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dann lassen sie ihre respektlose Brut nach Belieben gewähren. Kein Wunder, dass sie alle zu Nichtsnutzen und Dieben werden. Der Fisch stinkt vom Kopf her, es ist immer dasselbe. In diesem elenden Land gibt es keine zentrale Gewalt. Es ist nichts weiter als ein gottverdammter Ameisenhaufen.«
    »Sir Henry Marten hat mir gesagt, es gäbe einen Sultan, einen Moulay Soundso«, sagte Rob zögernd. »Er meinte, König Karl würde ihm einen Gesandten schicken, der sich für die Freilassung der Gefangenen einsetzt.«
    Marshall lachte. »Moulay Zidane: König über einen Affenkäfig und einen Haufen Probleme, die meisten davon selbst verschuldet. Sein Vater war Al-Mansur, genannt der Siegreiche, weil er die Portugiesen aus Marokko vertrieben und sechzigtausend ihrer Soldaten getötet hat. Der Sohn kann ihm nicht das Wasser reichen: Er hat keine Moral und wird nicht respektiert, nicht mal von seinen eigenen Korsaren. Sie verweigern ihm seinen Anteil an der Beute und machen sich bei jeder Gelegenheit lustig über ihn. Deshalb wickeln wir unsere Geschäfte mit dem eigentlichen Machthaber ab.«
    »Dann haben die Piraten einen König?«, fragte Rob. »Jemanden, den sie an die Stelle des Sultans gesetzt haben?«
    »Die Piraterie ist eine komplexe Angelegenheit«, erklärte
Marshall und schnalzte mit der Zunge. »Im moralischen Sinne kompliziert, wenn du so willst.«
    »Ich verstehe nicht, was an Diebstahl und Versklavung moralisch kompliziert sein soll.«
    »Die Leute hier sehen das anders. Sidi Mohammed Al-Ayyachi ist ein bemerkenswerter Mann, einer, der großes Ansehen genießt und großen Einfluss ausübt und es geschafft hat, sich viele gleichgesinnte Verbündete zu machen. Er hat aus den unterschiedlichsten Gruppierungen eine ausgezeichnete Streitmacht aufgebaut - abtrünnige Schiffskapitäne aus sämtlichen Seefahrernationen Europas, religiöse Fanatiker, reiche Hornacheros, Morisken, die König Philipp aus Andalusien und Granada vertrieben hat - kurz gesagt, so gut wie alle, die aus irgendeinem Grund einen Groll auf das Christentum haben. Er spielt ein gerissenes Spiel: Einerseits propagiert er den heiligen Krieg, andererseits ermuntert er alle, die sich daran beteiligen, sich zu bereichern. Jedes geplünderte christliche Schiff mehrt den Wohlstand des Islams und trägt zum Ruhm ihres Gottes bei. Und wenn sie dazu Christen töten oder zwingen müssen, Türken zu werden, umso besser für die Kriegsanstrengungen. Hätten wir einen solchen König in England, hätten wir schon die halbe Welt erobert, denn er besitzt tausendmal mehr Charisma als dieser Dummkopf von Jakob oder sein aufgeblasener Sohn. Die alte Queen hätte sich mit Al-Ayyachi wunderbar verstanden. In vieler Hinsicht sind sie sich sehr ähnlich: Sie verstehen sich auf die Natur des Menschen und bedienen sich seiner Schwächen, um ihn wie einen Bauern auf dem Schachbrett der Geschichte zu bewegen.«
    »Was für ein Gott ist das eigentlich, der so viel Blut und Gold als Opfergaben verlangt?«
    Marshall wandte sich um und warf ihm einen mitleidigen Blick zu. »Na, derselbe wie unserer, Junge, der große Allmächtige. Sie haben nur einen anderen Namen für ihn und andere Rituale, um ihn zu verehren. Ansonsten gibt es nicht viel, was
unsere Religionen voneinander trennt, wenn man von tausend Jahren Blutvergießen einmal absieht.«
    Das war zu viel für Rob, der mittlerweile das Gefühl hatte, als stellte man seine gesamte Welt auf den Kopf. »Aber wenn wir alle demselben Gott dienen, warum bekriegen wir uns dann?«
    »Warum bekriegen sich die Menschen? Aus Machtgier und um anderen die eigene Sichtweise aufzuzwingen. Mir persönlich ist das alles einerlei: Ich würde auch dem Teufel dienen, wenn es meinen Zielen förderlich wäre. Aber eines sage ich dir: Sobald wir den Fuß in dieses Piratennest setzen, hältst du lieber den Kopf gesenkt und lässt dir weder Ärger noch Respektlosigkeit anmerken, egal, was du denkst oder wie sehr man dich provoziert, sonst verlierst du nämlich Kopf und Braut auf einen Streich, und mir wären die Hände gebunden.«
    So ritten sie durch die glühend heiße Landschaft, bis ein paar willkommene Wolken am Himmel aufzogen und ein leichter Regen einsetzte. Sie durchquerten eine große gelbbraune Wüste, in der es nur Felsen und verstaubte Büsche gab. Nach einer Weile stießen sie auf eine Reihe von niedrigen schwarzen Zelten. Das Vieh war in kleinen Gruppen in der Umgebung angepflockt, darunter auch hässliche Tiere mit Höckern, langen

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