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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Buch, in der sie erzählte, dass man dort das Wrack eines Fischerboots namens Constance gefunden hatte. Die ganze Mannschaft war verschwunden, und zwischen den Planken hatte eine »türkische Klinge« gelegen.
    »Ich würde es furchtbar gern sehen«, sagte Alison. »Das Cottage. Einige von diesen komischen alten Häusern haben eine Menge Charakter, besonders wenn man sie eine Weile verkommen ließ. Ich könnte euch vielleicht ein paar Ratschläge geben, wie man es aufmöbeln müsste, um einen guten Preis rauszuschlagen.«
    Ich funkelte sie an, damit sie endlich aufhörte. Es war genau die Art von Projekt, die Alison brauchte, um sich von der Trauer über Andrews Tod abzulenken, doch selbstsüchtig, wie ich war, konnte ich nur daran denken, dass jeder Gewinn, der sich
aus dem Cottage schlagen ließe, zu Michaels neuem Leben mit Anna beitragen würde. Wenn ich überhaupt an sie dachte - und ich gab mir alle Mühe, es nicht zu tun -, dann wünschte ich sie mir arm und unzufrieden, nicht reich und glücklich.
    Doch Michael war ganz Ohr. Er beugte sich über den Tisch, tätschelte ihren Arm und schenkte ihr ein Lächeln, bei dem sein ganzes Gesicht erstrahlte, ein Lächeln, das er in meiner Fantasie nur für mich reserviert hatte. »Großartig. Komm doch morgen mal vorbei. Ich habe nicht vor, mich großartig darin zu betätigen, ich will es nur einigermaßen in Schuss bringen und dann so schnell wie möglich zum Verkauf anbieten, aber es interessiert mich, was du dazu meinst. Wie Julia dir bestätigen wird, bin ich in puncto Inneneinrichtung nicht besonders beschlagen - mein Apartment in Soho verkommt seit Jahren immer mehr; aber ich glaube nicht, dass du es malerisch fändest.«
    An diesem Punkt hielt ich es nicht länger aus. Ich schob meinen Stuhl so heftig zurück, dass seine Beine mit einem durchdringenden Quietschen über die Granitfliesen schrammten und suchte Zuflucht im Haus, nicht ohne bei diesem Rückzug zwei Augenpaare zu spüren, die mich von hinten durchbohrten.
    Ich flüchtete nach oben und warf mich bäuchlings aufs Bett. Mein ganzes emotionales Gerüst brach zusammen. Tränen, die ich seit zehn Tagen zurückgehalten hatte, flossen in Strömen. Ich schluchzte so laut, dass ich weder hörte, wie jemand die Treppe heraufkam, noch wie sich die Tür öffnete, sodass ich mit heftig hämmerndem Herzen aufsprang, als plötzlich die Matratze unter einem fremden Gewicht nachgab.
    Michael saß neben mir auf der Bettkante und wirkte entsetzt und beschämt zugleich. Er zog ein großes, zerknülltes Taschentuch hervor und wischte mir damit das Gesicht ab, wobei er unrühmliche Rotzspuren auf meiner Wange verteilte. Wütend schob ich seine Hand beiseite, rannte ins Badezimmer und verrammelte die Tür hinter mir. Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht und betrachtete mich im Spiegel. Tageslicht offenbart
bittere Wahrheiten: Ich habe nie verstanden, warum die Leute ihre Häuser so entwerfen, dass sie es möglichst hell haben. Wenn man nicht mehr die straffe, strahlende Haut einer Fünfundzwanzigjährigen hat, zeichnet das Tageslicht gnadenlos jede Falte, jeden Makel, jedes Erschlaffen der Haut nach und gibt einem das Gefühl, eine uralte, vergrämte Vettel zu sein, selbst wenn man sich mit Exfoliating Cream alle abgestorbenen Hautschüppchen abrubbelt, das Gesicht anschließend mit einer Feuchtigkeitscreme verwöhnt, die mehr kostet als reiner Weihrauch, und dann mit größter Sorgfalt und Routine ein sündhaft teures Make-up aufträgt. All das hatte ich vor weniger als einer Stunde getan. Nun aber sah ich aus wie das Opfer eines Wirbelsturms.
    Brutal rubbelte ich mir mit einem Waschlappen über das Gesicht und verließ das Bad, um diesem Liebhaber, der mich hatte sitzen lassen, ohne jede Maskerade in die Augen zu blicken. Soll er ruhig sehen, was er mir angetan hat, sagte ich mir.
    Doch als ich das Zimmer betrat, saß er vornübergebeugt da und kehrte mir den Rücken zu. Er wirkte aufgewühlt: Ich kannte seine Körpersprache so gut, dass ich mit einem Blick erkannte, wie nervös er war.
    »Warum bist du hier?«, fragte ich ruhig und war froh, dass meine Stimme nicht zitterte.
    Er fuhr schuldbewusst zusammen, sprang auf und wandte sich zu mir um. In der Hand hielt er mein Buch, sein Abschiedsgeschenk für mich.
    Ich marschierte quer durchs Zimmer und nahm es ihm weg, um es schützend an mich zu drücken.
    »Alison hat mir von dem Buch erzählt«, sagte er und setzte sich mit gespielter Gleichgültigkeit wieder hin. »Es

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