Die Zehnte Gabe: Roman
fortgehen. Am Ende deiner Reise gibt es eine Vereinigung von Himmel und Erde, und all deine Träume werden wahr.«
Cat musterte sie misstrauisch. Das Versprechen einer langen Reise war genau das, was sie sich am meisten wünschte: Bis nach London, wenn sie Glück hatte. Nur das Gerede über die Vereinigung von Himmel und Erde störte sie, denn könnte das nicht bedeuten, dass die Reise der Pfad durchs Leben war, die im Tod und der Auferstehung der Seele gipfelte? Alles gut und schön, aber das galt auch für jedes andere Kind Gottes. Sie hatte den Verdacht, dass die alte Frau jede Menge solcher Scharlatanerien für ihre Kunden auf Lager hatte, in der Hoffnung, dass sie sich mit vagen Allgemeinplätzen abspeisen ließen.
»Catherine Anne Tregenna, was in aller Welt fällt dir ein? Was hast du da draußen mit einer solchen Kreatur zu tun?« Es war Margaret Harris, die den Pfad entlang auf sie zukam.
Cat errötete. Die Zinnschale lag deutlich sichtbar vor ihnen, und Lady Harris würde sie sofort als ihr Eigentum wiedererkennen.
»Und du!« Nun richtete sich der Zorn der Herrin von Kenegie gegen die alte Zigeunerin. »Schaff dein Teufelswerk auf der Stelle weg von hier, oder du kannst was erleben! Wer die Geister anruft, wird als Hexe verbrannt. Du kannst von Glück reden, dass ich Christin bin und solche Methoden nicht billige, aber wenn ich dich noch einmal auf meinem Grund und Boden finde oder du versuchst, einen meiner Dienstboten in deinen Bann zu ziehen, kannst du sicher sein, dass der Wachtmeister dich bei Gurnard’s Head ins Meer stürzt, und in den Knochen da unten
wirst du jede Menge deinesgleichen treffen. Jetzt nimm dein räudiges Tier und verschwinde. Und wag ja nicht, in Penzance Halt zu machen. Du kannst dich drauf verlassen, dass ich dahinterkommen würde!«
Sie packte Cat am Arm, zuckte dann jedoch zurück. »Bei den Wunden unseres Herrn, Catherine, du stinkst nach Alkohol! Ein weiterer Eintrag in der Liste deiner Verfehlungen, mein Kind. Warum sich ein guter Mann wie Robert Bolitho in den Kopf gesetzt hat, jemanden wie dich zu heiraten, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Es wäre besser, wenn du dich besinnst, oder er wird sich woanders umsehen, und dann endest du noch als alte Jungfer oder Schlimmeres.«
Die Alte sammelte ihre Steine ein und ließ sie in der Tasche verschwinden. Dann richtete sie sich auf und sah Lady Harris geradewegs in die Augen.
»Ein großes Unglück wird über dieses Haus kommen, und ich kann nichts sagen oder tun, um es abzuwenden. Du wirst ein langes Leben haben, Herrin des Mounts.« Sie wandte sich ab. »Dein Mann aber steht bereits mit einem Bein im Grab«, äußerte sie heiser. Dann zischte sie Cat zu: »Und du, mein Vögelchen, brauchst keine Angst vor der Hochzeit zu haben.«
Cat starrte sie an. »Wieso nicht?«
»Weil du als Catherine niemals auf dieser Welt heiraten wirst«, sagte die Ægypterin und humpelte mit schmerzenden Füßen davon.
In dieser Nacht lag Cat auf ihrem schmalen Bett und grübelte über die Worte der alten Frau nach. Sie hatte den ganzen Tag an das verworrene Durcheinander gedacht, das sie in ihrem Kopf angerichtet hatten. Manchmal glaubte sie, einen Faden aus dem Knäuel gelöst zu haben, der nun hell und klar in ihrer Hand lag - zum Beispiel, dass sie keine Angst vor der Ehe haben musste, weil sie gar nicht heiraten würde. Doch dann wurde dieser Gedanke durch die Erkenntnis verdorben, dass es eigentlich eine
Furcht einflößende Vorstellung war, überhaupt nicht zu heiraten. Dazu genötigt zu sein, Tag für Tag zu arbeiten, abhängig von den Launen ihrer jeweiligen Dienstherren oder von der Barmherzigkeit anderer - war das nicht sogar noch schlimmer als Robert zu heiraten, der zwar langweilig war und kein bisschen Geld besaß, dafür aber ein anständiger, hart arbeitender Mann, der ihr jede Bequemlichkeit bieten würde, die er sich leisten konnte? Dann wiederum dachte sie an das große Unglück, von dem die Ægypterin gesprochen hatte. Würde erneut die Pest diesen Winkel von Cornwall heimsuchen? Sie hatte bereits ihren Vater gefordert, einen zähen und kräftigen Mann: Wenn sie ihn hatte umbringen können, würde sie auch alles andere dahinraffen, was ihren Weg kreuzte. Oder könnte ein Krieg an ihren friedlichen Küsten ausbrechen, so wie am Ende des letzten Jahrhunderts? Andererseits hatte die Zigeunerin gesagt, dass Beharrlichkeit sie retten werde, daher würden weder Pest noch Krieg ihr Leben beenden können. Und
Weitere Kostenlose Bücher