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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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gekapert hatten, Nells Mann William Chigwine und die kleine Jordie Kellynch, die tagelang gehustet hatte, bevor sie aus der Kirche entführt worden war, Annie Hoskens aus Market-Jew, der alte Henry Johns aus Lescudjack und Cats jüngster Vetter, der kleine Jack Coode.
    Walter Truran erholte sich trotz der widrigen Umstände bemerkenswert schnell. Es gab Leute, die glaubten, das Brandmal würde ihn beschützen; andere tuschelten von einem Wunder. Die Frauen jedoch, die ihre Kinder verloren hatten, warfen ihm scheele Blicke zu und machten aus ihren geheimsten Gefühlen keinen Hehl: Sie wünschten, dass Gott ihre Kinder verschont und dafür den Priester zu sich genommen hätte.
    Zuletzt, als es bereits so aussah, als könnten sie ihre ganze kostbare Fracht verlieren, stattete der Heilkundige ihnen einen Besuch ab, nicht ganz freiwillig. Er war ein hochgewachsener, dünner Mensch mit langem grauem Bart und umschatteten Augen, kaum erhellt vom Schein der Laterne, die er in der Hand hielt. Begleitet wurde er von zwei Piraten, einer davon Ashab Ibrahim, der sich mit einer Hand ein Tuch vor Mund und Nase hielt. Mit der anderen schob er eisern den Arzt vor sich her.
    »Wer von euch ist krank?«
    Seine Frage wurde von lautem Stimmengewirr beantwortet. Der Heilkundige schien entsetzt. Er sagte etwas auf Arabisch zu dem Renegaten, sehr hastig, doch der schüttelte den Kopf. »Nun, dann tu eben, was du kannst.«
    Behutsam bahnte sich der Heilkundige einen Weg zwischen den Bänken hindurch, untersuchte hier eine Zunge und dort das Weiß eines Auges. Bei manchen Kranken scheute er jede Berührung - offensichtlich waren sie nicht mehr zu retten. Bei einer Frau zwei Reihen vor Cat fuhr er zurück. Als sie dann stöhnend den Kopf umwandte, erkannte Cat schockiert Nell Chigwine.
Dünne Rinnsale von Erbrochenem flossen aus ihrem offenen Mund über das Kinn und tropften auf ihr schmutziges Kleid; die Stirn war mit Schweißperlen bedeckt, der Atem flach. Der Heilkundige schüttelte den Kopf und wich mit erhobenen Händen zurück. Dann stand er vor dem Renegaten und redete mit solcher Vehemenz auf ihn ein, dass es beinahe so aussah, als wäre er wütend. Er deutete auf die kranke Frau und dann auf den Dreck am Boden. Er fuchtelte mit den Händen herum und brüllte. Am Ende zuckte Ibrahim die Achseln und bückte sich, um die Stange aufzuschließen, an der die Ketten befestigt waren.
    »Steh auf!«, sagte Ibrahim und versetzte dem Mann am Ende der Reihe einen Tritt, als der nicht reagierte. »Na los, aufstehen!«
    Der Mann rappelte sich mühsam auf. Als er seine erstarrten Muskeln bewegte, verzerrte sich sein Gesicht zu einer Maske von Schmerz. Dann stand er schwankend in dem schlingernden Schiff. Ein Fischer, dachte Cat, als sie sah, wie seine Bewegungen sich instinktiv denen des Schiffes anpassten. Nell stolperte und brach zusammen. »Steh auf!«, zischte der Fischer ihr zu. »Dein Leben hängt davon ab.« Er fasste sie unter den Armen und zog sie hoch. Sie klammerte sich an ihn, mit Händen wie Krallen. Zunächst sah es so aus, als schaffte sie es nicht, doch dann hielt sie ihr starker Lebenswille auf den Beinen, wenn auch mehr als Leiche denn als menschliches Wesen.
    Der Renegat zwang die erste Gruppe von Gefangenen in Reih und Glied und wandte sich dann den anderen zu: »Wir bringen euch jetzt auf Anraten des Heilkundigen gruppenweise an Deck, damit ihr frische Luft schnappen könnt. Wer’s nicht aus eigener Kraft die Leiter hoch schafft, wird über Bord geworfen. Einer aus jeder Reihe wischt eure Scheiße auf, bevor ihr an Deck geht. Dann kommt ihr mit einem Eimer Salzwasser zurück und spült euren Bereich aus.« Er nahm seinem Gehilfen einen Eimer aus Metall ab und warf ihn einer Frau aus der ersten Reihe zu, die bereits aufgestanden war. Cat wandte den
Blick ab, als die Frau mit bloßen Händen die Fäkalien in den Eimer schaufelte, und betete selbstsüchtig, dass diese widerliche Aufgabe nicht ihr zufallen möge.
    Sie beobachtete, wie drei Reihen aneinandergeketteter Gefangener den Anweisungen folgten. Sie verschwanden und kehrten nach einer Weile zurück, um ihre Plätze zu putzen und sich anschließend wieder in Reih und Glied aufzustellen. Es juckte sie in den Beinen, sich zu bewegen, sie konnte die salzige Luft oben beinahe riechen. Endlich, nach einer Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, erreichte Ashab Ibrahim ihre Reihe und schloss die Stange auf. »Hoch mit euch, na los!«
    Sie rappelten sich auf, bemüht, das

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