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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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über dieses Schiff und daher auch Herr über dich.«
    Jemand packte sie unter dem Arm und zerrte sie auf die Beine.
    »Bringt Licht«, rief der raïs , »damit sie sieht, was sie zu tun hat.«
    Cat wehrte sich, denn jetzt war ihr auf schreckliche Weise klar, was von ihr erwartet wurde: Der raïs , Al-Andalusi, lag halb nackt auf seinem Bett, nur in ein Laken gehüllt. »Nein!«, rief
sie. »Nein! Lasst mich! Es ist eine Schande, sich an einem armen Mädchen zu vergreifen.«
    Es folgte eine Pause, dann ein kurzes Lachen, das in einen gequälten Husten überging. »Ah, du glaubst, ich will dich schänden.« Der raïs bewegte sich langsam, bis Licht auf sein Gesicht fiel. Er trug keinen Turban, und sein kahl geschorener Schädel war von hässlichen Stoppeln bedeckt. Insgesamt wirkte er dadurch kleiner und verletzlicher als zuvor, und dieser Eindruck wurde von einer ungesunden Blässe und den Schweißperlen auf der Stirn noch verstärkt. »Schade«, sagte Al-Andalusi mit einer knappen höflichen Geste. »Ich wünschte, ich könnte deine Fantasie wahr machen, aber maa elassaf , leider bin ich nicht im Stande. Außerdem stinkst du wie eine Ziege, nicht sehr erregend, selbst wenn ich in Stimmung wäre. Insha’allah, hoffentlich ist das bald wieder der Fall. Nein, du bist hier, weil ich verwundet bin und der Heilkundige tot.«
    Cat fuhr zusammen und wurde stocksteif. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie schließlich. »Ich bin kein Arzt.«
    Der raïs schloss die Augen. »Ich weiß. Du hast andere … Talente.« Hastig sagte er etwas zu dem Mann, der sie festhielt, worauf der sie am Arm nahm, etwas sanfter als zuvor, zu einem vom Schlafgemach getrennten Raum führte und sacht durch einen Perlenvorhang schob. Dort fand sie einen Kessel mit heißem Wasser, der über einer Kohlepfanne hing, und daneben einen Stapel Wäsche.
    »Wasch dich«, rief der raïs von seinem Bett. »Wasch dich gut und wechsle die Kleider. Noch nie habe ich mein Schicksal in die Hand einer Ungläubigen gelegt, doch Allah will es so. Er hat mir Ibn Hassan genommen, und ich habe keine Wahl. Jetzt gib Abdullah deine Kleider.«
    Vorsichtig zog sie die schmutzige Djellaba aus und reichte sie durch den Vorhang, wo sie ihr abgenommen wurde. Nun hatte sie nur noch das Unterkleid und die Strümpfe an.
    Es war, als hätte Al-Andalusi ihr Zögern bemerkt. »Zieh auch
den Rest aus und gib alles Abdullah. Er wird es waschen und dir später wiedergeben. Frische Kleider liegen bereit. Bitte sei … was ist das richtige Wort? Exakt.«
    »Gründlich«, korrigierte sie ihn, ohne nachzudenken, und hielt sich im gleichen Moment die Hand vor den Mund. Wie konnte sie es wagen, den Kapitän der Barbaren so zu verbessern?
    Auf der anderen Seite des Vorhangs entstand eine Pause. Dann wiederholte er langsam: »Gründ … lich«, als wollte er das Wort für zukünftigen Gebrauch speichern. »Gründlich, ja.«
    Cat tat wie ihr geheißen, und plötzlich waren Unterkleid und Strümpfe verschwunden, sodass sie nur noch ihren kostbaren kleinen Beutel mit dem Stolz der Stickerin und dem Schreibstift umklammerte, die letzte Verbindung zu ihrem früheren Leben. Sie legte ihn behutsam auf die Seite, durchsuchte den Wäschestapel und fand eine weite Baumwollhose, ein kragenloses Gewand und ganz unten ein Überkleid aus so weicher und fein gewebter weißer Wolle, dass sie es sich nicht verkneifen konnte, mit der Hand darüber zu streichen, als wäre es eine von Lady Harris’ Hauskatzen. Dann nahm sie den Waschlappen, der säuberlich zusammengefaltet neben der Schüssel lag, tauchte ihn in das heiße Wasser und fing an, sich zu waschen. Das war um einiges besser als das kalte Meereswasser des vergangenen Tages, das eine Salzkruste auf ihrer Haut hinterlassen hatte. Sie schwelgte in dem herrlichen Gefühl und hätte um ein Haar vergessen, dass nur zwei Meter entfernt auf der anderen Seite des dünnen Vorhangs ein nackter Mann lag, ein Pirat und Heide. Ein Ungeheuer. Am Ende, als sie zum ersten Mal seit mehr als vierzehn Tagen frischgewaschen und obendrein herrlich bequem gekleidet war, wickelte sie sich das Haar in ein Baumwolltuch und trat in das Schlafgemach.
    Der raïs betrachtete sie neugierig. »Viel besser, Cat’rin Anne. Jetzt siehst du aus wie eine Berberin.«
    »Catherine«, sagte sie.
    Er schwenkte die Hand. »Zu kompliziert. Gib dich zufrieden
mit Cat’rin. Ich habe dich geholt, weil du mit Nadeln umgehen kannst.«
    Cat starrte ihn an. »Ich soll euch etwas

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