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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Rückenlehne des einzigen Stuhls, die Leinenstrümpfe lagen darüber wie ein Paar leere Beine. Keine Zeit für all die Bänder und Haken. Sie strich sich über das Hemd und griff nach ihrem Schal - reine Eitelkeit, denn es war ihr bester, handbestickt mit einer Kreuzschraffur von Wildrosen auf feiner Wolle.
    Was machte Robert da unten, obendrein zu einer solchen Zeit? Sie wusste, dass Margaret Harris eine Schwäche für ihren Vetter hatte und ihn ermutigte, weit öfter ins Herrenhaus zu kommen, als es für seine Pflichten im Hof erforderlich gewesen wäre. Mit seinem zerzausten blonden Haar und den hellen blauen Augen überragte Rob seine Herrin um gute vierzig Zentimeter. Er überragte die meisten seiner Mitmenschen, und Lady Harris zog ihn damit auf, dass er wohl von den Riesen aus Carn Brea abstammen müsse, die ihre Gefangenen den Hügel emporgeschleift und auf dem großen flachen Felsen dort oben geopfert hatten, bevor sie ihnen Gold und Schmuck abnahmen. Ihre Beute hatten sie dann in den tiefen Granithöhlen unterhalb versteckt. Doch Cat konnte sich nicht vorstellen, dass ihr sanftmütiger Vetter irgendwen gefangen nahm, geschweige denn die Köpfe seiner Gefangenen auf dem steinigen Grund zerschmetterte. Es war ziemlich seltsam, dass er in Gegenwart von Kellynch und Samuels auftauchte, vor allem, da seine Herrin noch im Bett lag.
    Ihre Neugier war geweckt, und so schlüpfte sie mit nackten Füßen in die kalten Stiefel und lief zur Treppe. Unten stieß sie auf Matty und das Milchmädchen, Big Grace, die verstohlen durch eine Ritze in der Tür in den Salon spähten. Männliche
Stimmen drangen in den Gang, zusammen mit dem scharfen Geruch nach Dünnbier und Rauch aus dem Feuer in der Küche. Sie unterhielten sich leise über etwas, was Cat nicht ganz verstand. Die Mädchen lauschten angestrengt und versuchten, jedes Wort der gedämpften Unterhaltung aufzuschnappen. Plötzlich drückte Grace Mattys Hand, und beide wechselten einen entsetzten Blick. Cat grinste, tappte auf Zehenspitzen über die Fliesen und stützte sich mit einer Hand auf Mattys Schulter, damit auch sie einen Blick in den Salon werfen konnte. Matty kreischte auf wie ein Kaninchen, dem ein Fuchs aufgelauert hat.
    Im gleichen Augenblick riss Jack Kellynch die Tür auf. Er war schmal, braungebrannt und hatte die dunkle Haut und hellen Augen seiner Mutter geerbt, angeblich Spanierin. Es hieß, man habe sie einem Händler geraubt, der mit seiner Ladung Südwein, einer Truhe voller Gold und Silber und Ballen orientalischer Seide, die für die alte Königin bestimmt gewesen war, auf den Manacles vor Cornwall Schiffbruch erlitten hatte. Die Seide und ein Großteil des Goldes und Silbers hatten seinen Weg zu Ihrer Majestät doch noch gefunden, der Wein aber war auf mysteriöse Weise verschwunden, ebenso wie die Tochter des spanischen Händlers.
    »Also wirklich, Matty«, sagte er und durchbohrte sie mit seinem Blick, »du müsstest eigentlich wissen, dass nichts Gutes dabei herauskommt, wenn man etwas belauscht, was nicht für fremde Ohren bestimmt ist.«
    Matty lief purpurrot an und starrte zu Boden, ohne ein Wort herauszubringen. Big Grace riss nur ehrfürchtig die Augen auf und packte mit offenem Mund Matty am Arm. Sie war erst dreizehn, ein bisschen zurückgeblieben und trotz ihres Spitznamens winzig klein.
    Cat stellte sich vor die beiden. »Was hast du hier zu suchen, Jack Kellynch? Matty und Grace haben einen Grund, denn sie sind ordentlich in diesem Haus angestellt, dich aber hat, soweit
ich weiß, niemand angeheuert, und deshalb hast du um diese Zeit auch nichts in unserem Salon verloren.«
    Kellynch musterte sie von oben herab. »Meine Geschäfte gehen niemand was an, erst recht kein junges Ding aus Dänemark.«
    Cat warf das rot schimmernde Haar zurück, dem sie die ungerechte Beleidigung verdankte, und trat an ihm vorbei in den Salon, um ihren Vetter Robert zurechtzuweisen, weil er diesen Nichtsnutzen das Betreten des Hauses erlaubt hatte. In dem rauchigen, nur von einem Feuer erhellten Raum befanden sich jedoch nicht nur Robert Bolitho und Thomas Samuels, wie sie erwartet hatte. Die beiden saßen am Tisch, in der schattigen Ecke an die Wand gelehnt stand noch ein dritter Mann. Er trug einen schmutzigen Reiseumhang, und seine Stiefel waren schlammverkrustet. Erst als er einen Schritt vortrat und das Licht der Laterne auf ihn fiel, ging ihr auf, dass es der Herr selbst war, Sir Arthur Harris. Sein Ausdruck war finster.
    »Diese Männer sind auf

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