Die Zehnte Gabe: Roman
meine Einladung hier, Catherine, sie bringen mir Informationen.«
Cat versank in einem verzweifelten Knicks, während sie gleichzeitig von einem Schwindel erfasst wurde. »Ich bitte um Vergebung, Sir, ich glaubte, Ihr wäret auf dem Mount -«
»Und das gibt dir das Recht, dich kaum bekleidet in Gesellschaft zu zeigen?«
Darauf konnte sie nichts entgegnen, deshalb hielt sie klugerweise den Mund und senkte den Blick gerade in dem Moment, als Robert seinen Hut über einen Gegenstand schob, der sich silbern vor dem dunkel gemaserten Eichenholz des Tischs abhob.
Als sie verwirrt zu seinem Gesicht aufsah, sprachen Roberts blaue Augen Bände. Verschwinde , glühten sie. Einen Moment hielt sie ihnen stand, dann murmelte sie »Entschuldigt mich, Sir« und floh aus dem Zimmer.
Sie spürte Jack Kellynchs Blick im Rücken, und noch schlimmer, den ganzen Weg die Treppe hinauf.
»Also, Catherine«, sagte Margaret Harris so entschieden sie konnte. »Mein Mann hat mir erzählt, dass du dich heute Morgen mit kaum mehr als einem Hemd am Leib vor seinen Freunden gezeigt hast. Er hat mich gebeten, mit dir darüber zu sprechen. Wir wünschen keinen Skandal hier auf Kenegie, und ich habe deiner Mutter versprochen, dass ich dich wie meine eigene Tochter behandeln würde.«
Bei der Erwähnung ihrer Mutter hob Cat den Kopf. Ihr Vater John, ein Milizionär in Sir Arthurs Diensten, stationiert in der Garnison von St. Michael’s Mount, war zwei Jahre zuvor von der Pest dahingerafft worden und hatte Jane Tregenna und ihre Tochter mittellos zurückgelassen. Es wurde gemunkelt, Jane Tregenna sei von den Spriggans, kleinen, bösen, hässlichen Quälgeistern, verflucht, da sie seit Catherines Geburt keine weiteren Kinder mehr zur Welt gebracht hatte. Cat selbst vermutete, dass ihre Eltern sich einfach nicht besonders gemocht hatten. Margaret Harris hatte beiden angeboten, im Haus zu arbeiten, doch Jane Tregenna hatte sich allzu sehr als Dame gefühlt, um noch einmal als Dienstmagd anzufangen. Sie war in das gut ausgestattete Haus ihres Bruders Edward in Penzance gezogen und hatte Catherine in der Obhut der Herrin von Kenegie zurückgelassen. Ihre Tochter hatte nicht nur den großzügigen Lohn einer Kammerzofe erhalten, sondern auch eine so gute Ausbildung und so viel Ermunterung wie kein anderes Mädchen ihrer Herkunft. Cat wusste, dass ihre Mutter die verrücktesten Pläne für sie hegte; vermutlich hatte sie einen der Harris-Söhne im Auge. Wenn sie ihre Stellung auf dem Landgut verlor, würde Jane Tregenna sie ein Leben lang mit bitteren Vorwürfen überschütten.
»Ich bitte um Vergebung, Ma’am. Es war nicht meine Absicht, jemanden zu kränken. Matty … ich hörte Geräusche von unten und hatte Angst, es könnten Diebe sein.«
»Das war sehr unbedacht. Halb nackt nach unten zu laufen, um der Sache nachzugehen, scheint mir nicht gerade eine kluge
Entscheidung zu sein. Wären es Diebe gewesen, hättest du dich in Gefahr begeben und mich als deinen Vormund in eine überaus schwierige Lage gebracht. Ist dir das klar?«
Cat nickte langsam. »Aber ich war nicht halb nackt, Mylady; ich hatte einen Schal über das Unterkleid geworfen, um die Schicklichkeit zu wahren, ich schwöre es.«
Die Herrin von Kenegie lächelte. »Und war das nicht zufällig dein bester Schal, Catherine, der mit den Wildrosen?«
Cat hatte den Anstand zu erröten. »Ja.«
Margaret Harris musterte das Mädchen schweigend. Cat war jetzt neunzehn und sehr hübsch, obgleich das Haar diesen unglücklichen rotgoldenen Ton hatte. Ihre Mutter Jane war klein und dunkel, von den Enttäuschungen des Lebens verbraucht. Ihr toter Vater war ein mürrischer, brünetter Mann gewesen und hatte die feinen, schmalen Zügen der Lizard-Dörfer gehabt (deren Bewohner, wie man wusste, auf allen vieren gekrochen waren, bis die Mannschaft eines fremden, an der Küste gestrandeten Schiffes sich bei ihnen angesiedelt und zu einer entscheidenden Verbesserung ihrer Haltung und körperlichen Entwicklung beigetragen hatte). Es war eine ungleiche Ehe gewesen; man sah, dass sie auf erzwungene Kompromisse hin zu Stande gekommen war: Jane war eine Coode, stammte aus einer alten kornischen Familie -mit ausgezeichnetem Ruf, in der Gegend verwurzelt, hoch angesehen. Die Tregennas dagegen waren Bauern aus Veryan und Tregeare; John war der Drittgeborene gewesen und hatte nicht einmal ein Stück Land besessen, das ihn hätte ernähren können. Also hatte er sich als Milizionär gemeldet. Nicht gerade
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