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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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diesem enormen erigierten Penis, der sich wie ein Messer einem der Wisente entgegenreckte. Über den Köpfen der Tiere war ein Schwarm von Speeren zu sehen, die kurz davor waren, auf sie niederzuprasseln. Einer hatte sein Ziel schon gefunden. Er steckte im Bauch eines Wisents, aus dem kreisförmig die Eingeweide herausquollen.
    Luc knipste schnell ein Dutzend Fotos, bevor er die Kamera wieder um seinen Hals baumeln ließ. »Ein einzelner Mann gegen eine ganze Herde. Ob wir vielleicht den allerersten Helden der Menschheitsgeschichte gefunden haben?«
    »Zumindest scheint ihn das ganz schön scharf zu machen«, scherzte Hugo.
    »Der erigierte Penis ist ein Symbol für Männlichkeit«, belehrte ihn Luc und ging weiter.
    »Was du nicht sagst, Herr Professor«, konterte Hugo.
    Die Höhle führte immer weiter in den Berg hinein, eine Reihe aneinandergereihter länglicher Kammern, die Luc an die Segmente eines riesigen Insekts erinnerten. Jede Kammer beinhaltete neue Kunstwerke, ein prähistorisches Bestiarium der lebensechtesten Wildtiere. Luc konnte sich gar nicht sattsehen. Hugo machte seinen selbstvergessenen Freund schließlich darauf aufmerksam, dass draußen bestimmt schon der Morgen anbrach. Außerdem habe er Kopfschmerzen vom Ammoniak, und schlecht sei ihm auch.
    Luc weigerte sich störrisch, die Höhle zu verlassen, bevor er sie in ihrer Gänze erkundet hatte, aber die Aufgabe war einfach zu gewaltig, um sie jetzt zu Ende zu bringen. Jeder Kammer schien eine weitere zu folgen, allesamt mit Malereien geschmückt, die noch genauso frisch aussahen wie kurz nach ihrer Entstehung. Je tiefer sie in die Höhle eindrangen, desto lästiger wurden ihnen die vom ungewohnten Besuch aufgeschreckten Fledermäuse.
    Immer wieder schaffte es Luc, seinen Freund davon zu überzeugen, noch diese eine Kammer zu erkunden und dann noch den Durchgang an ihrem Ende und … Schließlich erreichten sie einen Teil der Höhle, der wie eine Sackgasse aussah, einen vollkommen unbemalten, dick mit Fledermauskot verkrusteten Felsgang. Luc, dem der Ammoniakgestank ebenfalls große Übelkeit bereitete, wollte die Erkundung nun doch beenden, als der Strahl seiner Taschenlampe auf ein Loch in der Felswand fiel. Es war eine Öffnung, die gerade breit genug war, um hindurchzukriechen.
    Luc streifte seinen Rucksack ab, und Hugo wusste, dass es sinnlos war, ihn zurückzuhalten. Obwohl er es nicht gerade angenehm fand, unter den aufgeregt herumflatternden Fledermäusen an der Decke des Ganges allein zurückzubleiben, weigerte er sich, seinem Freund zu folgen. Immer wieder streifte einer der lederartigen Flügel Hugos Gesicht, und er hörte auf, die Tiere anzuleuchten. Weil er aber nicht in völliger Dunkelheit herumstehen wollte, richtete er den Lichtstrahl auf die Öffnung, in der gerade Lucs Stiefelsohlen verschwanden.
    »Beeil dich!«, rief er Luc hinterher und drückte sich das Taschentuch noch fester auf Mund und Nase.
    Vorsichtig robbte Luc durch den mehrere Meter langen Felstunnel, der ihm wie ein enger, harter Geburtskanal vorkam.
    Auf einmal weitete sich der Raum, und Luc war in der Lage, sich aufzurichten. Er stand in einer Höhlenkammer, die die Ausmaße eines bescheidenen Wohnzimmers hatte. Rasch leuchtete er ihre Wände mit seiner Taschenlampe ab und erstarrte vor Ehrfurcht bei dem Anblick, der sich ihm bot. Gerade wollte er nach Hugo rufen. Doch dann entdeckte er, dass diese Kammer nur eine Art Vorzimmer für einen viel größeren, kuppelförmig gewölbten Raum darstellte. Luc warf nur einen einzigen Blick hinein, dann schrie er, so laut er konnte:
    »Hugo, komm sofort her!«
    Hugo kam eine Minute später auf allen vieren in die Höhle gekrochen. Langsam richtete er sich auf und machte ein mürrisches Gesicht. Als er aber dann sah, was Luc mit seiner Taschenlampe beleuchtete, rief er begeistert: »Wahnsinn!«
    Sämtliche Wände der Vorhöhle waren voller menschlicher Hände, die jemand mit derselben Schablonentechnik wie die draußen im Gang hier angebracht hatte. Unzählige Hände, immer eine rechte neben einer linken, die Finger abgespreizt und von rötlichem Ocker umgeben. Selbst an der runden Höhlendecke konnte man sie sehen wie handförmige Sterne an der Kuppel eines Planetariums.
    Luc winkte Hugo weiter in die letzte Höhlenkammer. »Komm mit!«
    Dass die Wände hier genauso aufwändig bemalt waren wie in der restlichen Höhle, überraschte keinen der beiden mehr. Wohl aber, dass kein einziges Tier mehr abgebildet war.
    »Ich habe

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