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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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annahm.
    Kars Hände zitterten, als sie etwas von dem dampfenden Gebräu Schneller Läufer in einer hölzernen Schale anreichte, er sollte als Erster davon kosten. - Als er die Schale wieder absetzte, war sein Gesicht von einem Ausdruck des Wohlgefallens gezeichnet, und er leckte sich genießerisch die Lippen. Begeistert reichte er die Schale weiter, die nun von Mund zu Mund wanderte. Bei den Meisten siegte die Neugier über das Mißtrauen. Einige lehnten jedoch feindselig ab, und Kar befürchtete, daß jemand die Schale abfällig zu Boden werfen würde, um sie zu demütigen. - Doch es geschah nichts dergleichen. Da wurde ihr ein weiters Mal bewußt, wie schwer der Einfluss von Tochter des Bären innerhalb der Stammesgemeinschaft wog. Die Art und Weise, wie Tochter des Bären ihren Verstand gebrauchte, wurde ihr immer vertrauter. Der Verzehr von Pilzen war den Spitzgesichtern zwar nicht fremd, doch meistens aßen sie diese roh, ebenso wie jede andere pflanzliche Nahrung. Es war nicht schwer, sie mit dem köstlichen Geschmack einer gekochten Mahlzeit zu beeindrucken, wie Kar sie schon als junges Mädchen zuzubereiten gelernt hatte. Aber mehr noch begrüßte man den gedankenbeflügelnden Rausch, der in dieser erstaunlichen Mahlzeit wohnte. Kar zweifelte nun nicht mehr im Geringsten daran, daß der Anweisung von Tochter des Bären, die Pilzsuppe für den gesamten Stamm zuzubereiten, eine wohlüberlegte und kluge Absicht zu Grunde lag. Kar erkannte nun die List, die sich dahinter verbarg.
    Scharfe Zunge erhob lautstark das Wort. Er begleitete seine Worte mit Gesten der Kraft und des Kampfes. Kar konnte gerade soviel verstehen, daß er dem Anschein nach die Taten seiner Sippe und überdies die Taten seines Sohnes Schwarzlocke rühmte. Als Beweis seiner Worte legte er den Kopf mit dem bastüberzogenen Geweih eines jungen Hirsches auf den geschichteten Stapel Holz. Unterwürfig opferte er somit den Mächten die Seele des Tieres. Anschließend breitete er getrocknetes Hirschfleisch auf dem Boden aus, wo schon Beeren, Wurzeln, Insekten, einige Pilze und bereits etwas getrocknetes Fleisch bereit lagen. Mit bohrendem Unbehagen sah Kar, wie ihm Männer, Frauen und Kinder zujubelten. Die Hochachtung des Stammes gebührte ihm und seiner Familie.
    Nacheinander erhoben nun die Alten ihre Stimmen und lobten die Taten ihrer eigenen Familien. Doch keiner von ihnen unterließ es, Scharfe Zunge Dank auszusprechen für jenes Opfer zum Wohle des Stammes.
    Nur Tötete die Hyäne mit einer Hand, die Schwester von Tochter des Bären, dankte nicht nur ihm, sondern auch Kar für die gute Medizin. Die Droge zeigte bei der Alten deutlich Wirkung, sie schien sich selbst mehr zu rühmen als sonst irgendjemanden. Stolz schilderte sie, wie ihr eine Hyäne die Hand abgebissen und wie sie die Bestie dennoch mit der anderen Hand getötet hatte. Obgleich Kar inständig hoffte, daß die Alte nicht umfiel, schienen deren schwere Zunge, ihr trüber Blick und verdächtiges Schwanken den Ernst der Zeremonie nicht zu stören.
    Als Tötete die Hyäne mit einer Hand zu Ende gesprochen hatte, steckte Tochter des Bären den aufgeschichteten Holzstoß in Brand. Es wurde verdächtig still. Nur das entzündete Holz knackte und pfiff. Mit der Stille wuchs eine ehrfürchtige Spannung. Kaum der Hauch einer Brise war zu spüren, die Luft schien zu stehen. Mittlerweile leuchteten die ersten hellen Sterne am Himmel. In Begleitung von vier jungen Männern betrat Tochter des Bären die Höhle, und als ihre Gestalten im Dunkel verschwanden, spürte Maramir, wie etwas Namenloses, etwas Unheimliches in der Finsternis der Unterwelt erwachte. Sie vernahm ein Geräusch, das sie mit dem Knirschen aneinander reibender schwerer Steine in Verbindung brachte, und sie stellte sich vor, wie die Männer mit aller Kraft zupackten um diese zu bewegen. - Kurz darauf kamen die Männer aus der zweiten Höhlenöffnung wieder heraus und begaben sich zurück an ihre Plätze. - Als endlich die gekrümmte Silhouette der heiligen Frau erschien und die Alte schwerfällig ins Licht des Feuerscheins trat, verschlug es Maramir den Atem. Tochter des Bären hielt in ihren Händen den Totenschädel eines Spitzgesichtes. Sie trug ihn zu den beiden anderen, postierte ihn am Fuße des Felsens und ging wieder in die Höhle zurück ... Erneut brachte sie einen Schädel heraus. Auch diesen gruppierte sie zu den anderen. - Innerhalb kürzester Zeit zählte Maramir so viele Schädel, wie Finger an ihren Händen

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