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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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ruhte sich aus. Doch schon als die ersten Feuer brannten, rief sie Bärenpranke zu sich. Lange saß sie dann mit ihrem Sohn im Dunkeln vor ihrer Hütte und unterhielt sich mit ihm. Maramir wußte nicht, worüber er und Tochter des Bären sprachen, aber sie erkannte sehr wohl, wie Bärenpranke sich nach einer gewissen Zeit zu irgendetwas bereit erklärte, wie er etwas annahm und schluckte, das Tochter des Bären zwischen ihren Fingerspitzen gehalten und ihm unter mehrmaliger Aufforderung gereicht hatte. - Kurz darauf geriet sein Körper in zitternde Erregung.
    Auf die Einnahme jener Medizin folgte eine merkwürdige Zeremonie: Die Alte rief alle zu sich und entzündete ein Feuer. Dann trieb sie dünne zugespitzte Knochensplitter durch Bärenprankes Haut; an den Oberarmen, am Rücken und auf seiner Brust – während Bärenpranke die frisch geschnitzte Spitze einer Lanze im Feuer härtete. Daraufhin vermengte sie sein Blut mit Ruß, schlug einen freudlosen Sprechgesang an und bemalte die Gesichter der Anwesenden mit dem Gemisch. Zwischendurch legte sie grüne Kräuter in die Glut. Der beißende Rauch benebelte alsbald Maramirs Sinne. Tochter des Bären rief den Mächtigen Bären an. Sie pries dessen Mut und Kraft. Weckte sie auf diese Weise den Mut und die Stärke des Jägers? - Was hatte dieses Ritual zu bedeuten? - Eine anstehende Gefahr lag spürbar in der Luft. Maramir kam es beinahe so vor, als wohne sie einer Totenfeier bei. Tochter des Bären schien ihren Sohn auf die Anderswelt, das Reich der Toten und Geister, vorzubereiten. Ein wichtiges Fest der Spitzgesichter stand bevor. Hatte damit alles zu tun? - Mit Fackeln begleiteten sie Bärenpranke schließlich hinunter zum Fluß und Maramir half ihm, das Blut von seinem Körper zu waschen. Als ihre Hände über seinen Rücken strichen, fragte sie sich, ob es vielleicht das letzte Mal war, daß sie ihm so nah sein würde. War dies ein Moment, in dem sie tapfer sein und beweisen mußte, daß sie seiner Stärke und seinem Geschick vertraute? - Was auch immer geschehen sollte, ihre Gedanken würden ihn begleiten, und es durften nicht Sorge und Angst sein, die diese bestimmten. Stolz ergriff sie seine Hand, als sie zurück zum Lager gingen. - Anschließend rieb Tochter des Bären Bärenprankes Körper mit dem Saft einer stark riechenden Wurzel ein. Der Saft roch so stark auf Bärenprankes Haut, daß sein eigener Körpergeruch davon überdeckt wurde. - Die Alte verabreichte Bärenpranke einen letzten Trank. Danach streckte und dehnte er seine Glieder, ließ seinen Kopf dabei in den Nacken fallen und drehte sich langsam im Kreis. Maramir konnte spüren, wie sich seine Gedanken immer weiter von ihr und dem Lager entfernten. - Noch deutlicher wurde seine Verwandlung, als er schließlich in sich gekehrt und starr abseits des Feuers in der Dunkelheit hockte wie ein Geistwesen, das die Einsamkeit suchte. Bärenpranke schien in die Ferne zu sehen, so, als folge er einer besonderen Fährte.
    Plötzlich erhob er sich, wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, blickte für einen Augenblick zu den Sternen auf und verließ, noch bevor die Lichter der Lebensfeuer im Reich der Himmelswesen zu verblassen begannen, mit zwei Lanzen, einem langen Dolch aus Hirschgeweih und einem ledernen Beutel mit Fleisch in schnellem Lauf das Lager. Maramir befürchtete, daß er das fast zwei Tage alte Fleisch als Köder benutzen wollte ... Sie sah Bärenpranke nach und empfand trotz Sorge und Wehmut dennoch großen Stolz.
    Als der Morgen graute, brach Maramir mit allen anderen zum Ort der Festlichkeit auf.
     
    Die Landschaft flimmerte bald in der Hitze des Tages. Tochter des Bären ließ sich dieses Mal von Schneller Läufer tragen. Wie ein Sack hing sie ihm auf dem Rücken. Der Schweiß lief ihm in Strömen.
    Schneller Läufer wollte eher zusammenbrechen, als vor Kar Schwäche zu zeigen. Allmählich schwoll die Wut in ihm. Er hatte ihr Geschenke gemacht und eine Hütte gebaut – in der er immer noch alleine schlief. Jede Gelegenheit hatte er genutzt, um seine Stärke zu demonstrieren. Seine Werbung hatte Kar gerne gesehen. Aber sie wand sich wie ein Fisch, der einem immer wieder aus den Händen glitt. Mehr als einmal war ihm danach gewesen, sie mit Gewalt zu nehmen. Nur der Respekt Tochter des Bären gegenüber hatte ihm bislang immer noch Einhalt geboten. Nach Kars Genesung war ihre Schönheit erwacht, so wie das Land erwacht nach der Zeit der Kälte. Mit der Bewegung ihrer Hüfte erlangte sie mehr

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