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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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Macht über ihn als der Mächtige Bär. - Zorn stieg in ihm auf; Zorn, weil er befürchtete, Kar könnte beim Fest zu Ehren der Großen Mutter einen anderen Mann wählen. Er würde jeden töten, der es wagen sollte ...
     
    „Schneller Läufer ist sehr stark! - Wie lange willst du ihn noch warten lassen?“
    „Leikika, der Wolf in dir mag schwach sein. Ich werde keinem Mann gehören!“
    „Kein Spitzgesicht wird das akzeptieren, denn in ihnen wohnt der Bär, nicht der Wolf.“
    Kar faßte Maramir an der Schulter und gab ihr ein Zeichen, langsamer zu gehen, so daß sie Abstand zur Gruppe gewannen.
    „Du redest wie einer von ihnen, Leikika!“ schimpfte sie verächtlich.
    „Du wirst uns noch in Gefahr bringen, Kar! Du denkst wie ein Zweihorn, das von Mähnenkatzen angegriffen wird und kämpft, anstatt zu fliehen.“
    „Du wirst schon sehen! Dieses Mal besiegt der Wolf den Bär. Heute Nacht ist auch für uns ein großes Fest. Das Fest der Ahnen, an dem wir Stärke erhalten sollen, bis zum nächsten, voll erwachten Kleinen Himmelsfeuer. Wir werden das Kleine Himmelsfeuer ehren, das alle Jäger, die immergrünen Bäume sowie jene Tiere, die während der Schlafzeit des Großen Himmelsfeuers durch das Land streifen, hervorgebracht hat. Dem voll erwachten Großen Himmelsfeuer müssen wir mit dem Blutopfer eines Tieres unserer Art danken für die Nahrung, die es uns bietet. Und wir sollten die mächtigen Himmelswesen gnädig stimmen mit einem Brandopfer. - Du wirst die Mächte erzürnen, wenn Du Dank und Ehrung unterläßt!“
    „Grauer Wolf hat gesagt: Der Wolf wird leben wie der Bär, solange der Wolf schwach ist. - Willst du die Spitzgesichter beleidigen? - Wir machen die Opferung später, so wie beim letzten voll erwachten Kleinen Himmelsfeuer.“
    „Ohne Tanz! Ohne Gesang! Heimlich, als ob wir etwas Verbotenes tun. Das ist zu wenig, und du weißt es!“
    Maramir sah bewußt auf den ledernen Sack, den ihre Schwester mit sich trug.
    „Es ist ein junger Rotwolf, und er lebt noch!“ verriet Kar mit einem listigen Grinsen.
    „Aber wie ...?“
    „Eine List! Ich habe viel gelernt von Tochter des Bären. - Sein Fleisch ist vergiftet und würde jeden krank machen, der davon ißt.“
    Im nächsten Augenblick bückte sich Kar und riß eine junge Kiefer samt Wurzel aus dem Boden. „Das Brandopfer für die Himmelswesen!“
    „Kar, ich bitte dich! Wir dürfen nicht ...“
    „Du brauchst keine Angst zu haben. Vertrau mir!“
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, senkte Maramir ihren Blick und ging weiter. Ein schlimmer Zweifel mischte sich in letzter Zeit immer öfter in ihre Gedanken: Wenn die Spitzgesichter sich in ihrem Glauben irrten, wieso waren sie dann so stark und so zahlreich. Die Mächte zürnten ihnen nicht. Den Schwestern hingegen hatte das Schicksal nichts als Unheil bereitet. Nicht die Kinder des großen Bären, sondern sie selbst befanden sich auf einem Irrpfad, der in Verfall und Vergessenheit führte. - Diesen Gedanken verwarf Maramir auch dieses Mal, geleitet von schlechtem Gewissen. Wie konnte sie es wagen, an ihrem Glauben zu zweifeln? - Um kein Unheil heraufzubeschwören, durfte sie die Mächte ihres Stammes nicht herausfordern. Die einzige Erklärung also blieb, daß die Mächte ihrer Heimat sich von den hiesigen unterschieden. Jene andersartigen Mächte waren ihr ebenso fremd wie dieses Land aus weißem, brüchigen Gestein und den Menschen, die hier lebten. - Voller Sorge dachte sie an Bärenpranke. Düstere Gedanken führten ihr vor Augen, was ihm alles widerfahren sein könnte. Ein übles Gefühl machte ihr allmählich glauben, daß ihm etwas zugestoßen war.
     
    Die große Hitze des Tages war längst vorüber, als Tochter des Bären schließlich von Schneller Läufers Rücken stieg und zu Fuß weiterging. Maramir hoffte, daß sie bald den Ort des Festes erreichen würden, allmählich schmerzten ihr die Füße von dem steinigen Weg und sie sehnte sich nach etwas Schatten. Im nächsten Moment vernahm sie eine fremde Stimme, einen Ruf aus einiger Distanz. Zwischen niedrigen Kiefern hindurch erblickte sie auf einem nahen Hügel eine Gestalt. Es war ein Mann. Das Spitzgesicht deutete mit einer Lanze in ihre Richtung und rief jemandem etwas zu, woran Maramir erkannte, daß er nicht alleine war. Schneller Läufer, der den Trupp anführte, erwiderte den Ruf – und kurz darauf kamen auch schon die Ersten herbeigelaufen: Scharfe Schneide, der Sohn von Tochter des Bären, und Schneller Läufers junge

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