Die Zeit der Hundert Königreiche - 4
Geremy hingegen hatten selten ein unfreundliches Wort gewechselt, und nun war Geremy von seiner Hand fürs Leben gelähmt worden. Er biß die Zähne zusammen und drehte der Erinnerung im Geist den Rücken. Was geschehen war, war geschehen. Es war zu spät zur Reue. Aber er hätte gern die besten zehn Jahre seines Lebens gegeben, wenn er Geremy dadurch hätte wieder gesund machen und die Hand seines Pflegebruders in seiner fühlen können. Er schluckte schwer und schob das Kinn vor. »Ich hatte daran gedacht, nach Osten zu reiten und in Dienst bei Edric von Serrais zu treten. Es wäre ein Festmahl für meine Seele, könnte ich Krieg gegen König Ardrin führen! Das würde ihn vielleicht lehren, daß man mich besser zum Freund als zum Feind hat! «
Dom Rafael meinte: »Ich kann dir keinen Rat geben, mein Sohn. Noch weniger kann ich dir einen Befehl erteilen. Du bist alt genug, und bald wirst du weit außerhalb der Reichweite meines Wortes sein. In den nächsten sieben Jahren mußt du deinen Weg durch die Welt allein finden. Aber ich bitte dich, verbringe die Jahre deiner Verbannung fern von Asturias und führe nicht Krieg gegen unsere Verwandten.« »Nein, ich werde es nicht tun«, versprach Bard. »Wenn ich in die Reihen der Feinde König Ardrins eintrete, wird er auch dich als seinen Feind betrachten. In gewisser Weise ist Alaric Geisel für mein Wohlverhalten. Ich kann dem König nicht in einer Schlacht gegenübertreten, solange er der Pflegevater des Bruders ist, den ich liebe.«
»Nicht nur das«, gab Dom Rafael zu bedenken. Bei deiner Jugend werden dich sieben Jahre nur ins richtige Mannesalter bringen. Wenn du zurückkommst - denn sobald sieben Jahre gekommen und gegangen sind, steht dir das Recht zu -, kannst du mit Ardrin Frieden schließen und dir eine ehrenvolle Existenz im Land deiner Geburt gründen.«
Bard schnaubte belustigt. »Ardrin von Asturias wird Frieden mit mir schließen, wenn die Wölfin von Alar aufhört, am Herzen ihres Opfers zu nagen, und die Kyorebni den verhungernden Rabbithorns im Winter Futter bringen! Vater, solange Beltran und Geremy leben, werde ich hier niemals Frieden finden, auch wenn Ardrin sterben sollte.«
»Dessen kannst du nicht sicher sein«, widersprach Dom Rafael. »Eines Tages wird Geremy in sein eigenes Land zurückkehren, und Prinz Beltran mag in der Schlacht fallen. Und Ardrin hat keinen anderen Sohn. Sollte Beltran ohne Sohn sterben, ist Alaric des Königs nächster Erbe, und ich denke, das ist ihm bewußt. Wohl auch aus diesem Grund soll Alaric in seinem Haus die einem Prinzen angemessene Erziehung erhalten.«
»Königin Ariel ist noch nicht zu alt, um Kinder zu bekommen«, sagte Bard. »Vielleicht schenkt sie dem König einen zweiten Sohn.« »Selbst wenn es so käme, hätte der neue König keinen Streit mit dir und sollte sehr froh über einen Verwandten sein, sei er auch Ne destro, der ein so guter Soldat ist wie du.«
Bard zuckte die Schultern. »Das mag sein. Deinetwegen und meines Bruders wegen und wegen jenes Anspruchs auf den Thron werde ich nicht Krieg gegen König Ardrin führen, obwohl es meinem Herzen guttäte, gegen ihn zu reiten oder Asturias zu erstürmen und Carlina mit Waffengewalt zu erobern.«
Alaric fragte mit großen Augen: »Ist Prinzessin Carlina so schön?« »Also, was das betrifft«, antwortete Bard, »so glaube ich, daß alle Frauen so ziemlich gleich sind, sobald die Lampe gelöscht ist. Aber Carlina ist die Tochter des Königs. Sie wurde als meine Pflegeschwester erzogen, und ich liebte sie. Und sie wurde mit mir verlobt, und nach Recht und Gesetz ist sie meine versprochene Frau. Es wäre gegen das Gesetz und gegen alle Gerechtigkeit, sollte irgendein anderer Mann meine versprochene Frau in sein Bett holen!« Wieder stieg Bitterkeit in ihm auf, Zorn gegen Carlina, die sich geweigert hatte, ihm ins Exil zu folgen, wie eine Verlobte es tun sollte, Zorn gegen Beltran und Geremy, die sich zwischen sie gestellt hatten, Zorn gegen Mclora, die ihn in solcher Enttäuschung zu Carlina getrieben hatte, daß er die Beherrschung verlor und zuviel trank und Carlina zwingen wollte …
»Vielleicht«, sagte der kleine Alaric, »wirst du einem ausländischen König einen großen Dienst leisten, und dann gibt er dir sicher seine Tochter … «
Bard lachte. »Und sein halbes Königreich, wie es in den alten Märchen heißt? Ja, es sind schon seltsamere Dinge geschehen, kleiner Bruder.«
»Hast du alles, was du brauchst?« erkundigte sich sein Vater.
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