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Die Zeit der hundert Königreiche

Die Zeit der hundert Königreiche

Titel: Die Zeit der hundert Königreiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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…«
    »Warum? Ich bin weder erschöpft noch verkrüppelt. So, leg deine Füße hoch … ja, so ist’s richtig. Laß mich dir die Stiefel ausziehen. Und nimm dein Schwertgehänge ab, du brauchst es nicht. Nicht hier.« Sie zog einen Vorhang vor einem Alkoven am hinteren Ende des Raums zurück. Bard dachte sich, daß dies der Platz war, wo sie zu schlafen pflegte. Sie brachte ihm ein Kissen aus ihrem eigenen Bett. »Der Sessel ist recht bequem. Ich habe darin viele Nächte geschlafen, wenn irgendwer krank war und ich jeden Augenblick gerufen werden konnte. Wenn du in der Nacht hinaus mußt«, setzte sie hinzu, »ist der Ort, den du suchst, am Ende dieses Korridors die Treppe hinunter, und er hat eine rotgestrichene Tür. Er ist für die Wachposten; es wäre nun wirklich ein Skandal, ließe ich dich das Bad in meiner Suite benutzen, weil du keiner von uns hier bist.« Sie deckte ihn mit einem Strickschal zu. »Schlaf gut, Bard.«
    Sie ging an ihm vorbei und löschte die Lampe. Das Bett knarrte, als sie hineinkletterte. Seltsam, wie leichtfüßig sie für eine so dicke Frau war; er konnte ihre Schritte überhaupt nicht hören. Bard berührte den wolligen Stoff des Schals unter seinem Kinn. Irgendwie gab er ihm das Gefühl, als sei er noch klein. Eine Erinnerung blitzte in ihm auf. Seine Pflegemutter wickelte ihn nach irgendeiner Kinderkrankheit in einen solchen Schal. Seltsam. Seine Gedanken an Lady Jerana hatten sich immer nur damit beschäftigt, daß sie ihn haßte und grausam behandelte. Warum hatte er die Gelegenheiten vergessen, bei denen sie freundlich zu ihm gewesen war? Hatte er glauben wollen , sie hasse ihn und wünsche ihm Böses? Es konnte nicht leicht sein für eine kinderlose Frau, den kräftigen, gesunden, geliebten Sohn ihres Mannes von einer anderen Frau großzuziehen.
    Als er in Schlaf versank, konnte er Melora atmen hören. Es war ein eigenartig tröstliches Geräusch. Da ließ sie ihn – einen Mann, der noch nie eine Frau anders als grausam behandelt hatte – in ihrem eigenen Zimmer schlafen. Nicht daß er irgendwelche Absichten auf sie gehabt hätte – er fragte sich, ob er mit diesem schrecklichen Wissen um das Leid, das er verursachen konnte, jemals wieder eine Frau mit Begehren anblicken würde. Carlina hat ihre Rache gehabt , dachte er. Plötzlich stieg die Frage in ihm auf, ob er sich stets ungeliebt gefühlt habe, weil seine Mutter ihn weggegeben und er einfach vorausgesetzt hatte, sogar sie habe ihn der Liebe für unwürdig gehalten. Er wußte es nicht. Langsam kam er zu der Einsicht, daß er nichts über die Liebe wußte. Aber Meloras Vertrauen in ihn war der erste Schritt zu seiner Heilung. Er umfaßte das Kissen, das einen frischen, süßen Duft nach Melora an sich hatte, und schlief ein.
     
    Als er erwachte, war es Tag, und Schnee rieselte hernieder. Es war einer der ersten Schneefälle des Jahres in den Kilghardbergen. Lautlos trieben Flocken an den Fenstern vorbei und schmolzen im Fallen. Melora schickte ihn, ein Rasiermesser und ein reines Hemd von einem der Wachposten zu borgen und in ihrer Kantine das Frühstück einzunehmen. »Auf diese Weise …« – sie lächelte fröhlich – »… bekommen sie zu wissen, daß ich keinen Liebhaber von außerhalb des Turms bei mir aufgenommen habe, was nicht schicklich wäre, solange ich hier im Dienst bin. Ich bin nicht übermäßig besorgt um meinen Ruf, aber das tut man nicht – daß man im Turm Skandal erregt. Varzil hat auch ohne das genug Sorgen.«
    Bard fand die Situation ein bißchen peinlich, als er ging, um mit den Wachposten von Neskaya warmes, frisches Nußbrot und in Teig gebackenen Salzfisch zu essen. Der Lord General von Asturias sollte sich gewöhnlichen Wachposten in ihrer Kantine anschließen? Aber er war hier nicht in seinem eigenen Land, wahrscheinlich würde er nicht erkannt werden, und wenn doch, nun, dann ging es niemanden etwas an. Konnte nicht auch ein General eine Leronis in einer dringenden privaten Angelegenheit konsultieren? Rasiert und sauber angezogen fühlte er sich besser. Nach dem Frühstück brachte ihm ein rothaariger junger Mann in Blau und Silber mit dem undefinierbaren Stempel der Hastur-Sippe auf dem Gesicht die Nachricht, Lord Varzil von Neskaya wünsche ihn zu sprechen.
    Varzil von Neskaya. Ein Feind, ein Ridenow von Serrais. Aber Alaric hatte ihn geliebt, und er selbst hatte einen günstigen Eindruck von ihm gewonnen, als er gekommen war, Alaric gegen Geremy auszutauschen. Und dabei hatte er

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