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Die Zeit der Katzenpfoten

Die Zeit der Katzenpfoten

Titel: Die Zeit der Katzenpfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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i’s und die schwungvollen Querstriche auf den t’s; er hatte Mühe, die Schrift zu entziffern.
     
    Lieber Charles, dies ist, glaube ich, das zehnte oder elfte Mal, daß ich Dir diesen Brief schreibe. Fast kommt es mir so vor, als ob ich ihn immer nur dann schreibe, wenn jemand stirbt oder wenn ich sonst eine traurige Nachricht erhalte – als seien Kummer und Sorgen das einzige, was über ein ganzes Jahrhundert oder mehr hinweg noch der Erwähnung wert ist. Dabei sind es doch gar nicht mehr Deine Sorgen. Meistens waren es wohl meine –
    Allerdings muß ich sagen, daß das Leben mir nicht zur Last geworden ist. Ich weiß noch, daß Du mich glücklich gemacht hast, Charles. Ich muß Dir sagen, daß ich Dich schrecklich vermißt habe. Ich muß Dir aber auch sagen, daß ich darüber hinweggekommen bin.
    Zuerst einmal wirst Du natürlich wissen wollen, woran Du gestorben bist – die Leute, die Dich ins Leben zurückrufen, werden es Dir vielleicht nicht sagen können. (Ich gehe davon aus, daß Du eines Tages ins Leben zurückkehren wirst. Damals konnte ich es nicht glauben, aber inzwischen habe ich es bei anderen gesehen.)
    Du bist am 16. Oktober 1969 bei einem Brand in der Christie Street ums Leben gekommen. Dr. Ten Eyck, der bei den Rettungsmannschaften war, erklärte Dich für tot und setzte mit einiger Mühe durch, daß der neue Lebensrettungs-Wagen in Betrieb genommen wurde, um Dich einzufrieren. Es gab zuerst Schwierigkeiten, weil nicht genug Glyzerol zur Präparierung da war, aber die ganze Feuerwehrmannschaft – ich weiß, das wird Dich freuen – plünderte ihre Alkoholvorräte und brachte ein paar Flaschen Bourbon zusammen, der dann notdürftig den Zweck erfüllte. (Wenn Du also mit einem Kater aufgewacht bist, weißt Du jetzt, warum!)
    Es war auch die Rede davon, daß vielleicht schon zuviel Zeit verstrichen sei – verstehst Du, man fürchtete, Du wärst sozusagen während der Debatte schlecht geworden. Aber da es ungewöhnlich kalt war, beschloß man, das Risiko einzugehen, und am Ende wurdest Du den Gefrieranlagen und der Temperatur von flüssigem Helium übergeben. Dort liegst Du auch jetzt noch, während ich dies schreibe, und dort, oder in einer ähnlichen Anlage, werde in nicht allzu ferner Zeit auch ich liegen.
    Ich sollte Dir vielleicht noch erzählen, daß ich nichts dafür zu bezahlen brauchte. Es stellte sich heraus, daß die Versicherung der Feuerwehrgesellschaft für alle Kosten aufkam und sogar für diesen Zweck abgeschlossen worden war. Wenn es von mir abgehangen hätte, Charles – ich glaube nicht, daß ich das Geld dafür ausgegeben hätte. Ich mußte ja auch an die Kinder denken. Was kann ich dir von den Kindern berichten? Sie haben Dich zu Anfang sehr vermißt. Vance hat zunächst fast einen Monat lang die Schule geschwänzt, hat Entschuldigungsbriefe an seinen Lehrer gefälscht und sogar irgendeinen Erwachsenen – ich hatte damals unsere Putzfrau im Verdacht – herumgekriegt, den Direktor anzurufen und seine Abwesenheit zu erklären, bevor ich dahinterkam. Aber dann trat er den Pfadfindern bei und bekam, wie man so sagt, neue Interessen.
    David sagte wenig, aber ich glaube nicht, daß er je darüber hinweggekommen ist, solange er lebte. Vier Jahre später schloß er sich dem Friedenskorps an und wurde in der Huk-Revolte von den Aufständischen ermordet. Als man ihn endlich fand, war seine Leiche völlig verstümmelt, und so konnte man ihn nicht mehr einfrieren. Ihn zumindest werden wir also nie wiedersehen.
    Vance ist mittlerweile verheiratet und sogar schon Großvater. Es ist seine zweite Ehe; die erste wurde geschieden. Seine jetzige Frau war vor der Heirat Lehrerin, und sie haben eine sehr gute Ehe geführt. Mehr kann ich Dir von Deinem Sohn Vance nicht erzählen, ohne im einzelnen zu erklären, warum seine erste Ehe in die Brüche ging und seine zweite Frau nicht in den USA bleiben wollte. Vielleicht wirst Du ihn eines Tages treffen; dann kannst Du ihn selbst fragen.
    Bill – Du wirst es nicht glauben wollen – ist ein großer Mann geworden.
    Laß mich nachdenken. Als Du starbst, war er zwei. Jetzt ist er Senator für Hawaii, und man behauptet, er würde es eines Tages bis zum Präsidenten bringen. Aber Du wirst in den Geschichtsbüchern mehr über ihn finden, als ich Dir berichten kann. Nur dies eine noch – ich weiß, es wird Dich interessieren: Bei seiner ersten Wahlkampagne setzte er sich für freies Einfrieren für jedermann auf der Basis staatlicher Sozialfürsorge

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