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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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die Lippen, wischte sich die verschwitzten Hände an der Hose ab.
    Die Sonne neigte sich gen Westen. Über dem Bandwasser stieg Dunst auf, überzog als grauweiße Decke die Wiesen. Es wurde kälter. Der Ruf der Kraniche erklang und verklang, es blieb nur das Quaken der Frösche.
    Rittersporn schlug in die Saiten. Einmal, dann ein zweites, ein drittes Mal. Er drehte an den Wirbeln, stimmte das Instrument nach und begann zu spielen. Und bald darauf zu singen.
    Yviss, m’evelienn vente cáelm en tell
    Elaine Ettariel Aep cor me lode deith ess’viell
    Yn blath que me darienn
    Aen minne vain tegen a me
    Yn toin av muireánn que dis eveigh e aep llea
 ...
    Die Sonne versank hinterm Wald. Im Schatten der riesigen Bäume des Brokilon wurde es augenblicklich finster.
    L’eassan Lamm feainne renn, ess’ell,
    Elaine Ettariel,
    Aep cor
 ...
    Er hatte nichts gehört. Er spürte eine Anwesenheit.
    »N’te mire daetre. Sh’aente vort.«
    »Schieß nicht  ...«, flüsterte er und vermied es gehorsam, sich umzuschauen. »N’en aespar a me  ... Ich komme in Frieden  ...«
    »N’ess a teart. Sh’aente.«
    Er gehorchte, obwohl ihm die Finger auf den Saiten klamm und taub wurden und das Lied nur mit Mühe aus der Kehle drang. Doch in der Stimme der Dryade hatte keine Feindschaft gelegen, und er, zum Teufel, war ein Profi.
    L’eassan Lamm feainne renn, ess’ell,
    Elaine Ettariel,
    Aep cor aen tedd teviel e gwen
    Yn blath que me darienn
    Ess yn e evellien a me
    Que shaent te cáelm a’vean minne me striscea
 ...
    Diesmal erlaubte er sich, einen Blick über die Schulter zu werfen. Was sich da an einen Baumstamm schmiegte, sehr nahe, erinnerte an einen efeuüberwucherten Busch. Doch es war kein Busch. Büsche hatten für gewöhnlich keine großen funkelnden Augen.
    Pegasus wieherte leise, und Rittersporn sah, wie hinter ihm im Dunkel jemand seinem Pferd über die Nüstern strich.
    »Sh’aente vort«, bat abermals die Dryade hinter seinem Rücken. Ihre Stimme erinnerte an das Rauschen von Blättern, wenn Regen darauf fällt.
    »Ich  ...«, setzte er an. »Ich bin  ... ich bin ein Freund des Hexers Geralt  ... Ich weiß, dass Geralt  ... dass Gwynbleidd hier bei euch im Brokilon ist. Ich bin gekommen  ...«
    »N’te dice’en. Sh’aente, ca.«
    »Sh’aent«, bat hinter seinem Rücken mit sanfter Stimme eine zweite Dryade, fast im Gleichklang mit einer dritten. Und vielleicht einer vierten. Er war sich dessen nicht sicher.
    »Yea, sh’aente, táedh«, sagte mit silberner Mädchenstimme das, was dem Dichter eben noch als eine kleine Birke erschienen war, die ein paar Schritte vor ihm wuchs. »Ess’laine  ... Táedh  ... Sing  ... Noch mehr von Ettariel  ... Ja?«
    Er gehorchte.
    Dich lieben will ich immer, ohne Fehl,
    Anmutige Ettariel,
    Will die Erinnerung wie einen Schatz behüten
    So wie die zauberischen Blüten,
    Die deiner Liebe Unterpfand und Zeichen,
    Darauf wie Tränen silbern glänzt der Tau
 ...
    Diesmal hörte er Schritte. »Rittersporn.«
    »Geralt!«
    »Ja, ich bin es. Du brauchst keinen Lärm mehr zu machen.«
     
    »Wie hast du mich gefunden? Woher wusstest du, dass ich im Brokilon bin?«
    »Von Triss Merigold  ... Verdammt  ...« Rittersporn war wieder gestolpert und wäre fast gefallen, doch die neben ihm gehende Dryade hielt ihn mit geschicktem Griff fest, erstaunlich kräftig angesichts ihrer niedrigen Statur.
    »Gar’ean, táedh«, warnte sie ihn mit silberner Stimme. »Va cáelm.«
    »Danke. Hier ist es schrecklich dunkel  ... Geralt? Wo bist du?«
    »Hier. Bleib nicht zurück.«
    Rittersporn beschleunigte den Schritt, stolperte abermals und fiel beinahe auf den Hexer, der vor ihm in der Finsternis stehengeblieben war. Die Dryaden gingen lautlos an ihnen vorüber.
    »So eine verteufelte Finsternis  ... Ist es noch weit?«
    »Nein. Gleich sind wir im Lager. Wer außer Triss weiß, dass ich mich hier verberge? Hast du es jemandem ausgeplaudert?«
    »König Venzlav musste ich es sagen. Ich brauchte einen Geleitbrief für die Reise durch Brugge. Die Zeiten sind jetzt so, dass man es gar nicht aussprechen möchte  ... Ich brauchte auch eine Genehmigung für den Ausflug in den Brokilon. Aber Venzlav kennt dich ja und kann dich gut leiden  ... Er hat mich, stell dir vor, zum Gesandten ernannt. Ich bin mir sicher, dass er das Geheimnis bewahrt, ich habe ihn darum gebeten. Sei nicht böse, Geralt.«
    Der Hexer kam näher heran. Rittersporn sah seinen Gesichtsausdruck nicht,

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