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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Kampf, Herr Berittführer?«
    »Was dachtest du denn? Zum Tanz beim Erntedank? Wir überschreiten die Grenze. Morgen früh bricht das ganze Graue Fähnlein auf. Der Wachtmeister hat nicht gesagt, in welcher Marschordnung, aber unser Beritt wird ja wie üblich vorn sein. Also macht hin, ihr Lahmärsche. Aber halt, kehrt! Ich sag’s gleich, weil hernach bestimmt keine Zeit mehr ist. Das wird kein gewöhnlicher Krieg, Jungs. Die hohen Herren haben sich so ’nen neumodischen Quatsch ausgedacht. ’ne Befreiung oder so was. Wir gehen nicht den Feind schlagen, sondern in unsere, na ja, angestammten Gebiete zur, wie heißt’s doch gleich, brüderlichen Hilfe. Also Obacht, was ich sage: Die Leutchen von Aedirn werden nicht angerührt, es wird nicht geplündert  ...«
    »Wieso denn das?« Kraska riss das Maul auf. »Wieso denn nicht plündern? Und womit sollen wir die Pferde füttern, Herr Berittführer?«
    »Pferdefutter wird geplündert, weiter nichts. Aber die Leute werden nicht erschlagen, die Hütten nicht angezündet, die Felder nicht verwüstet  ... Mach’s Maul zu, Kraska! Wir sind doch kein Sauhaufen, wir sind die Armee, verdammich! Ihr befolgt die Befehle, sonst gibt’s den Strick! Ich hab gesagt, nicht morden, nicht brennen, keine Weiber  ...«
    Zyvik stockte, überlegte.
    »Weiber«, schloss er nach einer Weile, »ganz im Stillen vergewaltigen und so, dass es keiner sieht.«
     
    »Auf der Brücke über den Fluss Dyfne«, endete Rittersporn, »haben sie sich die Hände gereicht. Markgraf Mansfeld von Ard Carraigh und Menno Coehoorn, der Oberkommandierende der Nilfgaarder Truppen aus Dol Angra. Sie haben sich die Hände über dem blutenden, niederbrennenden Königreich Aedirn gereicht, die Aufteilung der Beute unter Banditen besiegelt. Die widerwärtigste Geste, die die Geschichte je gekannt hat.«
    Geralt schwieg.
    »Wenn wir schon bei Widerwärtigkeiten sind«, sagte er nach einem Moment unerwartet ruhig, »wie steht es mit den Zauberern, Rittersporn? Ich meine die vom Kapitel und vom Rat.«
    »Bei Demawend ist keiner geblieben«, setzte der Dichter nach einer Weile an. »Und Foltest hat alle, die ihm dienten, aus Temerien vertrieben. Philippa ist in Dreiberg, sie hilft Königin Hedwig, das Chaos unter Kontrolle zu bekommen, das noch immer in Redanien herrscht. Bei ihr sind Triss und noch drei, die Namen habe ich vergessen. Ein paar sind in Kaedwen. Viele sind nach Kovir und Hengfors geflohen. Sie haben die Neutralität gewählt, denn Esterad Thyssen und Niedamir, wie du weißt, waren und sind neutral.«
    »Ich weiß. Und Vilgefortz? Und die, die zu ihm hielten?«
    »Vilgefortz ist verschwunden. Man hat erwartet, dass er im eroberten Aedirn wieder auftauchen würde, als Statthalter Emhyrs  ... Aber er ist spurlos verschwunden. Mitsamt allen seinen Komplizen. Ausgenommen  ...«
    »Red, Rittersporn.«
    »Ausgenommen eine Zauberin, die Königin geworden ist.«
     
    Filavandrel aén Fidháil erwartete schweigend die Antwort. Auch die Königin schwieg, den Blick zum Fenster gerichtet. Das Fenster ging auf die Gärten hinaus, die noch vor kurzem Stolz und Ruhm des früheren Herrn von Dol Blathanna gewesen waren, des Statthalters des Tyrannen von Vengerberg. Auf der Flucht vor den Freien Elfen, die in der Vorhut der Truppen Kaiser Emhyrs heranzogen, hatte es der Statthalter, ein Mensch, geschafft, die meisten Wertgegenstände aus dem uralten Elfenpalast mitzunehmen, sogar einen Teil der Möbel. Doch die Gärten hatte er nicht mitnehmen können. Er hatte sie vernichtet.
    »Nein, Filavandrel«, sagte die Königin schließlich. »Dafür ist es noch zu früh, viel zu früh. Lass uns nicht an die Erweiterung unserer Grenzen denken, denn vorerst kennen wir noch nicht einmal ihren genauen Verlauf. Henselt von Kaedwen denkt überhaupt nicht daran, sich an den Vertrag zu halten und sich von der Dyfne zurückzuziehen. Die Spione melden, dass er den Gedanken an einen Angriff keineswegs aufgegeben hat. Er kann jederzeit gegen uns losschlagen.«
    »Also haben wir nichts erreicht.«
    Die Königin streckte langsam die Hand aus. Der Apollofalter, der durchs Fenster hereingeflogen war, setzte sich auf ihre Spitzenmanschette, klappte die an den Spitzen gezackten Flügelchen auf und zu.
    »Wir haben mehr erreicht«, sagte die Königin – leise, um den Schmetterling nicht zu verscheuchen  –, »als wir erwarten durften. Nach hundert Jahren haben wir endlich unser Blumental gefunden  ...«
    »Ich würde es nicht so

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