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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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nennen.« Filavandrel lächelte traurig. »Jetzt, nachdem die Truppen durchgezogen sind, ist es eher ein Aschetal.«
    »Wir haben wieder unser eigenes Land«, beendete die Königin ihren Satz, während sie den Schmetterling betrachtete. »Wir sind wieder ein Volk, keine Vertriebenen. Und Asche ist guter Dünger. Im Frühling wird das Tal von neuem erblühen.«
    »Das ist zu wenig, Aster. Immer noch zu wenig. Wir haben zurückgesteckt. Noch vor kurzem haben wir uns gerühmt, dass wir die Menschen ins Meer werfen werden, aus dem sie gekommen sind. Und jetzt haben wir unsere Grenzen und Ambitionen auf Dol Blathanna beschränkt  ...«
    »Emhyr Deithwen hat uns Dol Blathanna zum Geschenk gemacht. Was erwartest du von mir, Filavandrel? Soll ich mehr verlangen? Vergiss nicht, dass man sogar beim Empfang von Geschenken Maß halten muss. Insbesondere, wenn es sich um Gaben von Emhyr handelt, denn Emhyr gibt nichts umsonst. Das Land, das er uns geschenkt hat, müssen wir halten. Und die Kräfte, über die wir verfügen, reichen gerade, um Dol Blathanna zu halten.«
    »Lass uns die Kommandos aus Temerien, Redanien und Kaedwen abziehen«, schlug der weißhaarige Elf vor. »Lass uns alle gegen die Menschen kämpfenden Scioa’tael abziehen. Du bist jetzt Königin, Enid, sie werden deinem Befehl folgen. Jetzt, da wir schon unser eigenes Fleckchen Erde besitzen, hat ihr Kampf keinen Sinn mehr. Ihre Pflicht ist es jetzt, hierher zurückzukehren und das Blumental zu verteidigen. Sie sollen als freies Volk bei der Verteidigung ihrer eigenen Grenzen kämpfen. Doch jetzt kommen sie als Räuber in den Wäldern um!«
    Die Elfe senkte den Kopf. »Emhyr wird dem nicht zustimmen«, flüsterte sie. »Die Kommandos müssen weiterkämpfen.«
    »Warum? Zu welchem Zweck?« Filavandrel aén Fidháil richtete sich mit einem Ruck auf.
    »Ich werde dir noch mehr sagen. Wir dürfen sie nicht stärken oder ihnen sonstwie helfen. Das war Foltests und Henselts Bedingung. Temerien und Kaedwen werden unsere Herrschaft über Dol Blathanna respektieren, aber nur, wenn wir den Kampf der Eichhörnchen offiziell verurteilen und uns von ihnen distanzieren.«
    »Diese Kinder sterben, Aster. Sie sterben Tag für Tag in einem ungleichen Kampf. Nach geheimen Absprachen mit Emhyr stürzen sich die Menschen auf die Kommandos und vernichten sie. Das sind unsere Kinder, unsere Zukunft! Unser Blut! Und du teilst mir mit, dass wir uns von ihnen lossagen sollen? Que’ss aen me dicette, Enid? Vorsaeke’llan? Aen vaine?«
    Der Schmetterling flog auf, schlug mit den Flügelchen, flog zum Fenster hin, taumelte, von Strömungen heißer Luft mitgerissen. Francesca Findabair, genannt Enid an Gleanna, vormals Zauberin, gegenwärtig Königin der Aen Seidhe, der Freien Elfen, hob den Kopf. In ihren schönen blauen Augen glänzten Tränen.
    »Die Kommandos«, wiederholte sie tonlos, »müssen den Kampf fortführen. Sie müssen in den Königreichen der Menschen Verwirrung säen und Kriegsvorbereitungen erschweren. So lautet der Befehl Emhyrs, und ich kann mich Emhyr nicht widersetzen. Verzeih mir, Filavandrel.«
    Filavandrel aén Fidháil schaute sie an, verbeugte sich tief. »Ich verzeihe dir, Enid. Aber ich weiß nicht, ob sie verzeihen werden.«
     
    »Kein einziger Zauberer hat die Sache überdacht? Sogar als Nilfgaard in Aedirn mordete und brannte, hat keiner von ihnen Vilgefortz verlassen und sich Philippa angeschlossen?«
    »Keiner.«
    Geralt schwieg lange. »Ich glaube es nicht«, sagte er schließlich sehr leise. »Ich glaube nicht, dass keiner sich von Vilgefortz getrennt hat, als die wahren Ursachen und Folgen seines Verrats zutage traten. Ich bin, wie schon alle Welt weiß, ein naiver, unvernünftiger und anachronistischer Hexer. Aber ich glaube immer noch nicht, dass sich in keinem Zauberer das Gewissen geregt hat.«
     
    Tissaia de Vries setzte ihre ausgefeilte, elegante Unterschrift unter den letzten Satz des Briefes. Nach langem Überlegen fügte sie daneben noch das Bildzeichen hinzu, das ihren wahren Namen bedeutete. Den Namen, den niemand kannte. Den Namen, den sie schon sehr lange nicht mehr benutzt hatte. Seit sie Zauberin geworden war.
    Lerche.
    Sie legte die Feder hin. Sehr sorgfältig, ordentlich, genau quer über das beschriebene Blatt Pergament. Lange saß sie reglos da und schaute auf den roten Ball der untergehenden Sonne. Dann stand sie auf. Sie trat ans Fenster. Eine Zeitlang blickte sie über die Dächer der Häuser hinweg. Der Häuser, in denen

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