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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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vorbeiging. Unser König hat Demawend eine Menge Geld geliehen, um ihn zu unterstützen, das darf nicht umkommen, jetzt ist es an der Zeit, sich das Geld mit Zinsen zurückzuholen. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass unsere Landsleute und Brüder aus der Niedermark von Nilfgaard unterjocht werden. Wir müssen sie, nun ja, befreien. Denn das ist von alters her unser Land, die Niedermark, diese Landstriche haben einmal zur Krone von Kaedwen gehört, und jetzt kehren sie unter diese Krone zurück. Bis zum Flüsschen Dyfne. So hat es unser gnädiger König Henselt mit Emhyr von Nilfgaard vereinbart. Aber Vereinbarung hin, Vereinbarung her, das Graue Fähnlein muss an der Dyfne stehen. Habt ihr verstanden?«
    Niemand antwortete.
    Zweimaß verzog das Gesicht, winkte ab. »Einen Scheiß habt ihr verstanden, wie ich sehe. Aber macht euch nichts draus, ich auch nicht viel. Zum Verstehen sind der gnädige Herr König da, die Barone, Heergrafen und die Herren Adligen. Wir aber sind das Heer! Wir haben Befehle zu befolgen: In drei Tagen zum Flüsschen Dyfne marschieren, dort anhalten und wie eine Mauer stehen. Weiter nichts. Schenk ein, Zyvik.«
    »Herr Wachtmeister  ...«, druckste Zyvik. »Und was  ... was, wenn die Armee von Aedirn Widerstand leistet? Die Straße sperrt? Schließlich gehen wir ja in Waffen durch ihr Land. Was dann?«
    »Und wenn unsere Landsleute und Brüder«, fiel Stahler giftig ein, »die, wo wir befreien sollen  ... Wenn die nun anfangen, mit Pfeilen zu schießen und Steine zu schmeißen? Hm?«
    »Wir haben in drei Tagen an der Dyfne zu stehen«, sagte Zweimaß mit Nachdruck. »Nicht später. Wenn jemand unseren Vormarsch verzögern oder verhindern will, kann das nur ein Feind sein. Und ein Feind muss mit dem Schwert zerhauen werden. Aber aufgepasst und Obacht! Jetzt kommt ein Befehl! Keine Dörfer und Bauernhütten abbrennen, den Leuten keine Habe wegnehmen, nicht plündern, keine Weiber vergewaltigen! Schreibt euch und den Soldaten hinter die Ohren: Wer gegen diesen Befehl verstößt, kriegt ’nen Strick um den Hals. Der Heergraf hat gut ein Dutzend Mal wiederholt: Wir kommen nicht, verdammt noch mal, als Eroberer, sondern mit brüderlicher Hilfe! Was gibt’s da die Zähne zu blecken, Stahler? Das ist ein Befehl, zum Kuckuck! Und jetzt marsch-marsch zu euren Beritten, bringt mir alles auf die Beine, Pferde und Rüstungen müssen glänzen wie der Vollmond! Am späten Nachmittag nehmen alle Fähnlein Aufstellung zur Musterung, der Heergraf selbst wird zusammen mit den Rittmeistern mustern. Wenn ich mich wegen eines Beritts blamiere, wird mir der Berittführer dran denken, o ja, das wird er! Ausführung!«
    Zyvik ging als Letzter aus dem Zelt. Mit wegen der Sonne zusammengekniffenen Augen sah er sich die im Lager losgebrochene Hektik an. Die Berittführer eilten zu den Einheiten, die Wachtmeister liefen hin und her und fluchten, die Adligen, die Kornetts und Pagen standen allen im Weg. Die Panzerreiter von Ban Ard ritten übers Feld und wirbelten Staubwolken auf. Die Hitze war schrecklich.
    Zyvik beschleunigte den Schritt. Er ging an den vier am Vortage eingetroffenen Skalden aus Ard Carraigh vorbei, die im Schatten saßen, den das reich geschmückte Zelt des Markgrafen warf. Die Skalden dichteten gerade eine Ballade über die siegreiche Militäroperation, über das Genie des Königs, die Umsicht der Heerführer und die Tapferkeit des einfachen Soldaten. Wie üblich taten sie es vor der Operation, um keine Zeit zu verlieren.
    »Es grüßten uns unsere Brüder, reichten uns Brohot und Salz  ...«, begann einer der Skalden versuchsweise zu singen. »Begrüßten ihre Erlöser, Befreier, grüßten mit Brohot und Salz  ... He, Hrafnir, reich doch mal ’nen originellen Reim auf ›Salz‹ her!«
    Ein anderer Skalde reichte einen Reim her. Zyvik hörte nicht, welchen.
    Der inmitten von Weiden an einem Teich lagernde Beritt sprang bei seinem Anblick auf.
    »Fertigmachen!«, brüllte Zyvik und blieb weit entfernt genug stehen, dass sein Atem die Moral der Untergebenen nicht beeinflusste. »Ehe die Sonne vier Fingerbreit höher steigt, alle fertig zur Musterung! Alles soll blitzen ganz wie die Sonne selber, Waffen, Rüstung, Geschirr, Pferde! Es gibt eine Musterung. Wenn ich mich wegen einem von euch vor dem Wachtmeister blamiere, reiße ich demjenigen den Arsch auf! Dalli!«
    »Wir gehen in den Kampf«, erriet der Reiter Kraska, während er sich rasch das Hemd in die Hose stopfte. »Wir gehen in den

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