Die Zeit der Verachtung
neue König wird. Eine neue Ehe der unfruchtbaren Königin stand nicht zur Debatte. Die Löwin von Cintra begriff, dass sie höchstens auf die Rolle der Königinmutter hoffen durfte. Zu allem Unglück konnte auch noch jemand Pavettas Mann werden, der die Schwiegermutter völlig von der Regierung verdrängt hätte.«
»Ich werde wieder trivial sein«, warnte Codringher. »Calanthe schob die Verheiratung Pavettas hinaus. Sie ließ das erste Eheprojekt scheitern, als das Mädchen zehn Jahre alt war, und das zweite mit dreizehn. Die Aristokratie durchschaute die Pläne und forderte, dass der fünfzehnte Geburtstag Pavettas ihr letzter im Jungfernstand sein müsse. Calanthe musste ihre Zustimmung geben. Doch vorher erreichte sie, worauf sie spekuliert hatte. Pavetta war zu lange Jungfrau geblieben. Schließlich begann es sie derart zu jucken, dass sie mit dem erstbesten Dahergelaufenen ins Bett ging, noch dazu einem, der in ein Ungeheuer verwunschen war. Es gab dabei gewisse übernatürliche Umstände, gewisse Weissagungen, Zauber, Gelübde ... Ein gewisses Recht der Überraschung? Nicht wahr, Geralt? Was danach geschah, weißt du sicherlich noch. Calanthe holte einen Hexer nach Cintra, und der Hexer machte Bewegung. Ohne zu wissen, dass er gelenkt wurde, löste er den Fluch von dem Ungeheuer namens Igel und ermöglichte ihm die Heirat mit Pavetta. Damit erleichterte es der Hexer Calanthe, sich auf dem Thron zu halten. Die Verbindung Pavettas mit dem entzauberten Ungeheuer war für die Magnaten ein derart großer Schock, dass sie die plötzliche Heirat der Löwin mit Eist Tuirseach akzeptierten. Der Jarl von den Skellige-Inseln schien ihnen besser als der dahergelaufene Igel. Auf diese Weise regierte Calanthe weiterhin das Land. Wie alle Männer von den Inseln begegnete Eist der Löwin von Cintra mit zu viel Hochachtung, als dass er sich ihr irgendwie widersetzt hätte, und die Krönung langweilte ihn bloß. Er legte die Regierung ganz und gar in ihre Hände. Calanthe aber, die sich mit Arzneien und Elixieren vollstopfte, holte den Gatten Tag und Nacht zu sich ins Bett. Sie wollte bis ans Ende ihrer Tage regieren. Und wenn als Königinmutter, dann als Mutter eines eigenen Sohnes. Aber, wie ich schon sagte, wollen ist eins, doch ...«
»Du sagtest es schon. Wiederhol dich nicht.«
»Hingegen hatte Prinzessin Pavetta, die Frau des sonderbaren Igels, schon während der Hochzeitszeremonie ein verdächtig weites Kleid an. Calanthe, die resigniert hatte, änderte die Pläne. Wenn nicht ihr Sohn, dachte sie, dann sollte es der Sohn Pavettas sein. Aber Pavetta brachte eine Tochter zur Welt. Der reinste Fluch, nicht wahr? Die Prinzessin konnte jedoch noch mehr Kinder bekommen. Das heißt, sie hätte welche bekommen können. Doch es ereignete sich ein rätselhafter Unfall. Sie und dieser merkwürdige Igel kamen bei einem nicht geklärten Seeunglück ums Leben.«
»Unterstellst du nicht zu viel, Codringher?«
»Ich versuche die Situation zu klären, weiter nichts. Nach Pavettas Tod war Calanthe gebrochen, aber nicht lange. Ihre letzte Hoffnung war die Enkelin. Pavettas Tochter Cirilla. Ciri, ein leibhaftiges Teufelchen, das durch die königliche Burg tobte. Für manche ein Herzchen, weil sie so an Calanthe erinnerte, als diese ein Kind war. Für andere ... ein Wechselbalg, die Tochter eines Ungeheuers namens Igel, auf die zudem noch irgendein Hexer ein Recht zu haben meinte. Und jetzt kommen wir zum Kern der Sache: Calanthes Mündel, offensichtlich zur Nachfolgerin ausersehen, geradezu als ihre zweite Verkörperung betrachtet, das Löwenjunge vom Blute der Löwin, war schon damals nach Ansicht einiger von der Thronfolge ausgeschlossen. Cirilla war nicht wohlgeboren. Pavetta war eine Mesalliance eingegangen. Sie hatte das königliche Blut mit dem niederen Blute eines Dahergelaufenen von unbekannter Herkunft vermischt.«
»Schlau, Codringher. Aber so ist es nicht. Ciris Vater war keineswegs von niederer Herkunft. Er war ein Kronprinz.«
»Was sagst du da? Davon wusste ich nichts. Von welchem Königreich?«
»Von irgendeinem im Süden ... Von Maecht ... Ja, es war Maecht.«
»Interessant«, murmelte Codringher. »Maecht ist seit langem eine Mark von Nilfgaard. Es gehört zur Provinz Metinna.«
»Aber es ist ein Königreich«, warf Fenn ein. »Dort herrscht ein König.«
»Dort herrscht Emhyr var Emreis«, schnitt ihm Codringher das Wort ab. »Wer immer dort auf dem Thron sitzt, tut es von Emhyrs Gnaden und
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