Die Zeit der Verachtung
schwieg.
»Sieh dich vor, Geralt. Du bist in ernster Gefahr. Jemand spielt mit dir. Jemand sieht deine Züge exakt voraus, jemand lenkt sie sogar. Lass dich nicht von Arroganz und Hochmut hinreißen. Derjenige, der mit dir spielt, ist keine Striege und kein Werwolf. Das sind nicht die Gebrüder Michelet. Es ist nicht einmal Rience. Ein Kind des Älteren Blutes, verdammt. Als ob es mit dem Thron von Cintra, Zauberern, Königen und Nilfgaard nicht genug wäre, jetzt obendrein auch noch Elfen. Brich dieses Spiel ab, Hexer, halt dich heraus. Durchkreuze die Pläne, indem du etwas tust, was niemand erwartet. Zerreiß diese wahnwitzige Verbindung, lass nicht zu, dass du mit Cirilla assoziiert wirst. Überlass sie Yennefer, du selbst aber kehre nach Kaer Morhen zurück und steck die Nase nicht heraus. Verkriech dich im Gebirge. Ich aber werde in den Elfenmanuskripten kramen, in Ruhe, ohne Hast, gründlich. Und wenn ich die Information über das Kind des Älteren Blutes, wenn ich den Namen des Zauberers kenne, der sich in dieser Sache engagiert, wirst du das Geld zusammenbekommen, und wir machen den Tausch.«
»Ich kann nicht warten. Das Mädchen ist in Gefahr.«
»Das stimmt. Doch mir ist bekannt, dass man dich für ein Hindernis auf dem Weg zu ihr hält. Für ein Hindernis, das unbedingt beseitigt werden muss. In diesem Zusammenhang bist du es, der sich in Gefahr befindet. Das Mädchen werden sie sich erst vornehmen, wenn sie dich erledigt haben.«
»Oder aber, wenn ich das Spiel abbreche, mich heraushalte und mich in Kaer Morhen verkrieche. Ich habe dir zu viel bezahlt, Codringher, als dass du mir solche Ratschläge geben dürftest.«
Der Advokat drehte den Stahlstern in den Fingern. »Für die Summe, die du mir heute bezahlt hast, bin ich schon seit einiger Zeit tätig, Hexer«, sagte er und unterdrückte den Husten. »Der Rat, den ich dir gebe, ist durchdacht. Verkriech dich in Kaer Morhen, verschwinde. Und unterdessen werden die, die Cirilla suchen, sie kriegen.«
Geralt kniff die Augen zusammen und lächelte.
Codringher wurde nicht blass. »Ich weiß, was ich sage«, fuhr er fort, hielt dem Blick und dem Lächeln stand. »Die Verfolger deiner Ciri werden sie finden und mit ihr machen, was sie wollen. Dabei werden sowohl sie als auch du in Sicherheit sein.«
»Erkläre dich bitte. Und möglichst schnell.«
»Ich habe ein Mädchen gefunden. Eine Adlige aus Cintra, eine Kriegswaise. Sie ist durch die Flüchtlingslager gegangen, derzeit misst sie mit der Elle und schneidet Stoff, denn sie ist bei einem Tuchmacher in Brugge untergekommen. Sie zeichnet sich durch nichts Besonderes aus. Außer in einer Hinsicht. Sie sieht einer gewissen Miniatur ziemlich ähnlich, die das Löwenjunge von Cintra darstellt ... Willst du ihr Porträt sehen?«
»Nein, Codringher. Will ich nicht. Und ich bin mit solch einer Lösung nicht einverstanden.«
»Geralt« – die Augen des Advokaten zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen –, »was bewegt dich? Du willst diese deine Ciri retten ... Mir scheint, dass du dir jetzt den Luxus der Verachtung nicht leisten kannst. Nein, ich habe mich schlecht ausgedrückt. Du kannst dir den Luxus nicht leisten, die Verachtung zu missachten. Es kommt eine Zeit der Verachtung, Kollege Hexer, die Zeit einer großen, uferlosen Verachtung. Du musst dich anpassen. Was ich dir vorschlage, ist eine einfache Alternative. Jemand wird sterben, damit jemand anders leben kann. Jemand, den du liebst, bleibt am Leben. Es stirbt ein anderes Mädchen, das du nicht kennst, niemals gesehen hast ...«
»Die ich missachten kann?«, fiel ihm der Hexer ins Wort. »Soll ich für die, die ich liebe, mit Selbstverachtung bezahlen? Nein, Codringher. Lass jenes Kind in Ruhe, soll sie weiter Tuch mit der Elle abmessen. Ihr Porträt sollst du vernichten. Verbrenn es. Und für meine zweihundertfünfzig schwer verdienten Kronen, die du in die Schublade geworfen hast, gib mir etwas anderes. Information. Yennefer und Ciri haben Ellander verlassen. Ich bin mir sicher, dass du davon weißt. Ich bin mir sicher, dass du weißt, wohin sie unterwegs sind. Ich bin mir sicher, dass du weißt, ob jemand auf ihrer Fährte ist.«
Codringher trommelte mit den Fingern auf den Tisch, hustete.
»Der Wolf, taub für die Warnungen, will weiterjagen«, stellte er fest. »Er sieht nicht, dass er es ist, auf den Jagd gemacht wird, dass er genau zwischen die Fähnchen läuft, die der wahre Jäger aufgehängt hat.«
»Sei nicht
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