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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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sie erst vor kurzem Ciri für das Gleiche scharf getadelt hatte. »Malerisch und duftend. Aber warum hier, am Rande des Walddickichts? Für gewöhnlich stellt man derlei direkt vor den Stadtmauern auf. Habe ich recht, ihr guten Leute?«
    »Das sind Eichhörnchen, edle Dame«, beeilte sich einer der fliegenden Händler zu versichern, die sie an der Wegscheide eingeholt hatten. Er hielt einen Schecken zurück, der vor einen entladenen zweirädrigen Karren gespannt war. »Elfen. Dort auf den Stangen. Deshalb stehen die Stangen auch im Walde. Den anderen Eichhörnchen zur Warnung.«
    »Heißt das« – die Zauberin schaute ihn an  –, »dass man lebendig gefangene Scioa’tael hierherbringt  ...«
    »Elfen, meine Dame, lassen sich selten lebendig fangen«, unterbrach sie der Händler. »Und wenn die Krieger wirklich einen erwischen, dann bringen sie ihn in die Stadt, denn da wohnen die sesshaften Nichtmenschen. Wenn die sich auf dem Markt die Hinrichtung ansehen, vergeht ihnen sofort die Lust, sich den Eichhörnchen anzuschließen. Aber wenn Elfen im Kampfe getötet werden, bringt man die Leichen an Wegscheiden und hängt sie an die Stangen. Manchmal bringt man sie von weither, dass sie schon ganz verstunken sind  ...«
    »Wenn ich daran denke«, fauchte Yennefer, »dass uns nekromantische Praktiken aus Respekt vor der Majestät des Todes verboten sind, aus Achtung vor den Verschiedenen, den Leichnamen, denen Ehre, Ruhe, eine rituelle und zeremonielle Bestattung gebühren  ...«
    »Was sagt Ihr, Herrin?«
    »Nichts. Lass uns schleunigst weiterreiten, Ciri, möglichst weit weg von hier. Pfui, mir kommt es so vor, als sei ich schon ganz von diesem Gestank durchtränkt.«
    »Mir auch, ojojoj«, sagte Ciri und lenkte das Pferd im Trab um den Wagen des Hausierers herum. »Lass uns Galopp reiten, ja?«
    »Gut  ... Ciri! Galopp, aber keinen irrsinnigen!«
     
    Bald erblickten sie die Stadt, groß, von Mauern umringt, auf denen sich Türme mit spitzen funkelnden Dächern erhoben. Hinter der Stadt aber war das Meer zu sehen, blaugrün, wie es in den Strahlen der Morgensonne glitzerte, hier und da mit den weißen Flecken von Segeln betupft. Ciri hielt das Pferd am Rande eines sandigen Abhangs an, stellte sich in den Steigbügeln auf, sog gierig den Wind und den Geruch in die Nase.
    »Gors Velen«, sagte Yennefer, als sie herangeritten kam und Seite an Seite mit ihr stehenblieb. »Endlich sind wir am Ziel. Reiten wir zurück auf die Straße.«
    Auf der Landstraße verfielen sie wieder in leichten Galopp, ließen ein paar Ochsenkarren und mit Holzbündeln beladene Fußgänger zurück.
    Als sie alle überholt hatten und allein waren, zügelte die Zauberin das Pferd und hielt Ciri mit einer Geste zurück. »Komm näher heran«, sagte sie. »Noch näher. Nimm die Zügel und führe mein Pferd. Ich brauche beide Hände.«
    »Wozu?«
    »Nimm die Zügel, bitte.«
    Yennefer nahm aus einer Satteltasche einen kleinen silbernen Spiegel, rieb ihn, worauf sie leise einen Spruch sagte. Der Spiegel glitt ihr aus der Hand, schwebte ein Stück fort und blieb über dem Hals des Pferdes hängen, genau vor dem Gesicht der Zauberin.
    Ciri seufzte vor Verwunderung, leckte sich die Lippen.
    Die Zauberin holte einen Kamm aus der Satteltasche, nahm das Barett ab und kämmte sich eine Weile energisch die Haare. Ciri wahrte Schweigen. Sie wusste, dass man Yennefer beim Kämmen nicht stören und sie nichts fragen durfte. Die malerische und scheinbar lässige Unordnung ihrer üppigen Locken war das Ergebnis langwieriger Bemühungen und erforderte reichlich Anstrengung.
    Die Zauberin langte wieder nach einer der Satteltaschen. Sie befestigte Diamantringe an den Ohren und streifte Armreifen über beide Handgelenke. Sie nahm den Schal ab und knöpfte die Bluse ein Stück auf, so dass der Hals und das schwarze Band mit dem Obsidianstern zum Vorschein kamen.
    »Ha!« Ciri hielt es schließlich nicht mehr aus. »Ich weiß, warum du das machst! Du willst hübsch aussehen, weil wir in die Stadt reiten! Stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Und ich?«
    »Was – du?«
    »Ich will auch hübsch aussehen! Ich werde mich kämmen  ...«
    »Setz die Mütze auf«, sagte Yennefer scharf, den Blick noch immer auf den Spiegel gerichtet, der über den Ohren des Pferdes schwebte. »So, wie sie war. Und verbirg die Haare darunter.«
    Ciri fauchte wütend, gehorchte aber augenblicklich. Sie hatte längst gelernt, Färbungen und Schattierungen in der Stimme der Zauberin zu

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