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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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du sagen, dass sie der Wolf gebissen hat. Der Weiße Wolf. Und sag ihnen auch, dass sie oft zurückblicken sollen. Eines Tages werden sie hinter sich schauen und den Wolf erblicken.«
     
    Als Aplegatt drei Tage später die Tore von Dreiberg erreichte, war es schon weit nach Mitternacht. Er war wütend, denn er steckte vor dem Stadtgraben fest und brüllte sich die Seele aus dem Leib – die Wächter schliefen wie die Ratzen und trödelten mit dem Öffnen des Tores. Er verschaffte sich Erleichterung und verfluchte sie gründlich, nach Strich und Faden und bis ins dritte Glied. Später hörte er genüsslich zu, wie der geweckte Wachführer die Vorwürfe, die Aplegatt an die Mütter, Großmütter und Urgroßmütter der Knechte gerichtet hatte, um völlig neue Einzelheiten ergänzte. Nachts zu König Wisimir vorgelassen zu werden, kam natürlich gar nicht in Frage. Das war ihm übrigens durchaus recht – er ging davon aus, sich bis zum Tagesanbruch, bis zum Morgenläuten ausschlafen zu können. Da hatte er sich geirrt. Statt ihm einen Platz zum Ausruhen zuzuweisen, brachte man ihn unverzüglich ins Wachlokal. In der Stube erwartete ihn nicht der Burgvogt, sondern jener andere, der Großmächtige und Dicke. Aplegatt kannte ihn – es war Dijkstra, der Vertraute des Königs. Dijkstra war, wie Aplegatt wusste, bevollmächtigt, Botschaften zu hören, die ausschließlich für die Ohren des Königs bestimmt waren. Aplegatt überreichte ihm die Briefe.
    »Du hast eine mündliche Botschaft?«
    »Ja, Herr.«
    »Sprich.«
    »Demawend an Wisimir«, rezitierte Aplegatt mit geschlossenen Augen. »Erstens: Die Kostümtruppe ist für die zweite Julinacht nach Neumond bereit. Achte darauf, dass Foltest nicht wortbrüchig wird. Zweitens: Die Zusammenkunft der Schlauköpfe auf Thanedd werde ich nicht in eigener Person beehren, und dir rate ich dasselbe. Drittens: Das Löwenjunge lebt nicht.«
    Dijkstra verzog leicht das Gesicht, trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Hier hast du Briefe für König Demawend. Und eine mündliche Botschaft  ... Spitz die Ohren und schärf dein Gedächtnis. Du wirst das deinem König Wort für Wort wiederholen. Nur ihm, keinem anderen. Keinem, verstehst du?«
    »Ich verstehe, Herr.«
    »Die Botschaft lautet: Wisimir an Demawend. Die Kostümtruppe unbedingt zurückhalten. Jemand hat Verrat begangen. Die Flamme hat in Dol Angra eine Armee zusammengezogen und wartet nur auf einen Vorwand. Wiederhole.«
    Aplegatt wiederholte es.
    »Gut.« Dijkstra nickte. »Du wirst aufbrechen, sobald die Sonne aufgeht.«
    »Seit fünf Tagen bin ich unterwegs, gnädiger Herr.« Der Bote rieb sich den Hintern. »Wenn ich mich wenigstens bis Vormittag ausschlafen könnte  ... Erlaubt Ihr es?«
    »Kommt dein König, Demawend, jetzt nachts zum Schlafen? Schlafe ich? Schon für die Frage verdienst du eins aufs Maul, Kerl. Man wird dir zu essen geben, dann kannst du die Knochen ein wenig auf dem Stroh ausstrecken. Aber vor Sonnenaufgang reitest du los. Ich habe angeordnet, dass man dir einen Rassehengst gibt, du wirst sehen, der läuft wie ein Wirbelwind. Und schau nicht so sauer drein. Da hast du noch ein Beutelchen mit einer Extraprämie, damit du nicht erzählst, Wisimir sei ein Geizhals.«
    »Danke, Herr.«
    »Wenn du in den Wäldern am Pontar bist, gib acht. Dort sind Eichhörnchen gesehen worden. Und an gewöhnlichen Räubern mangelt es in der Gegend auch nicht.«
    »Oh, ich weiß, Herr. Was ich da vor drei Tagen gesehen habe  ...«
    »Was hast du gesehen?«
    Aplegatt berichtete kurz von den Ereignissen in Anchor. Dijkstra hörte zu, die mächtigen Unterarme vor der Brust gekreuzt.
    »Der Professor«, sagte er nachdenklich. »Heimo Kantor und der Kurze Yaxa. Von einem Hexer kaltgemacht. In Anchor, auf der Straße nach Gors Velen, beziehungsweise nach Thanedd, zum Garstang ... Und das Löwenjunge lebt nicht?«
    »Was sagt Ihr, Herr?«
    »Unwichtig.« Dijkstra hob den Kopf. »Zumindest für dich. Ruh dich aus. Und im Morgengrauen auf den Weg.«
    Aplegatt aß, was man ihm brachte, legte sich ein wenig hin, konnte aber vor Müdigkeit kein Auge zumachen; vor Sonnenaufgang war er schon durchs Tor. Der Hengst war tatsächlich feurig, doch eigensinnig. Solche Pferde mochte Aplegatt nicht.
    Auf dem Rücken, zwischen dem linken Schulterblatt und dem Rückgrat, juckte es unerträglich, womöglich hatte ihn ein Floh gebissen, als er im Stall gelegen hatte. Und er konnte sich partout nicht kratzen.
    Der Hengst begann zu

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