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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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»Das ist ein Bote. Mach keine Subjektionen. Welchen Namen hat diese Ansiedlung, Wirt?«
    »Anchor.«
    »Welche Distanz nach Gors Velen?«
    »Hä?«
    »Wie viel Meilen?«
    »Die Meilen hab ich nicht abgemessen. Aber man braucht drei Tage.«
    »Zu Pferde?«
    »Mit dem Wagen.«
    »He«, sagte plötzlich der Untersetzte halblaut, richtete sich auf und schaute durch die weit offene Tür auf den Hof. »Wirf da mal ’nen Blick raus, Professor. Was ist das für einer? Doch nicht etwa  ...«
    Der mit der Brille schaute ebenfalls nach draußen, und sein Gesicht verkrampfte sich plötzlich.
    »Ja«, zischte er. »Das ist er, positiv. Wir haben vielleicht ein Glück.«
    »Warten wir, bis er reinkommt?«
    »Er kommt nicht herein. Er hat unsere Pferde gesehen.«
    »Er weiß, dass wir  ...«
    »Sei still, Yaxa. Er sagt was.«
    »Ihr habt die Wahl«, erklang von draußen eine etwas heisere, aber vernehmliche Stimme, die Aplegatt sofort erkannte. »Einer von euch kommt heraus und sagt mir, wer euch angeheuert hat. Dann werdet ihr hier ohne Schwierigkeiten fortreiten. Oder ihr kommt alle drei heraus. Ich warte.«
    »Der Hundesohn  ...«, knurrte der Schwarzhaarige. »Er weiß es. Was machen wir?«
    Der mit der Brille stellte mit einer langsamen Bewegung das Schälchen auf den Schanktisch. »Das, wofür wir bezahlt werden.«
    Er spuckte in die Hände, bewegte die Finger und zog das Schwert. Daraufhin zogen auch die beiden anderen blank. Der Wirt öffnete den Mund zu einem Schrei, schloss ihn aber eilends unter dem kalten Blick durch die bläuliche Brille.
    »Alle sitzen bleiben«, zischte der mit der Brille, »und keinen Mucks. Heimo, wenn es losgeht, versuch, hinter ihn zu kommen. Na dann, Jungs, Hals- und Beinbruch! Gehen wir raus.«
    Es ging sofort los, als sie hinausgingen. Schläge, Fußgetrappel, Waffengeklirr. Und dann ein Schrei. Einer, bei dem einem die Haare zu Berge standen.
    Der Wirt wurde weiß im Gesicht, die Frau mit den Ringen um die Augen stieß einen unterdrückten Schrei aus und presste den Säugling mit beiden Armen an ihre Brust. Der Kater in der Ofennische sprang auf die Füße, machte einen Buckel, sein Schwanz peitschte hin und her. Aplegatt rückte rasch mit dem Stuhl in die Ecke. Den Dolch hielt er auf den Knien, hatte ihn aber nicht aus der Scheide gezogen.
    Draußen wieder Fußtritte gegen Bretter, Sausen und Klirren von Klingen.
    »Ach, du  ...«, schrie jemand wild auf, und obwohl den Schrei ein dreckiger Fluch beendete, lag in ihm eher Verzweiflung als Wut. »Du  ...«
    Das Sausen einer Klinge. Und sofort darauf ein hoher, durchdringender Schrei, der die Luft in Streifen zu schneiden schien. Ein Poltern, als sei ein schwerer Kornsack auf die Bretter gefallen. Vom Stall her Hufschläge, das Wiehern erschrockener Pferde.
    Wieder Poltern auf den Brettern, die schweren, raschen Schritte eines Laufenden. Die Frau mit dem Säugling drückte sich an ihren Mann, der Wirt presste den Rücken gegen die Wand. Aplegatt zog den Dolch, hielt die Waffe aber noch unterm Tisch verborgen. Der rennende Mann kam geradewegs auf die Gaststube zu, es war klar, dass er gleich in der Tür stehen würde. Doch ehe er in der Tür stand, sauste eine Klinge.
    Der Mann schrie auf, und gleich darauf stürzte er herein. Es sah so aus, als werde er auf die Schwelle fallen, doch er fiel nicht. Er wankte, machte langsam ein paar Schritte und brach erst dann in der Gaststube zusammen, dass der in den Dielenritzen angesammelte Staub aufwirbelte. Er fiel aufs Gesicht, kraftlos, zog die Arme an und krümmte die Beine in den Knien. Die Kristallbrille fiel klirrend zu Boden, zersprang in kleine bläuliche Splitter. Unter dem bereits reglosen Körper begann sich eine dunkle, glänzende Pfütze auszubreiten.
    Niemand regte sich. Niemand schrie.
    In die Stube trat der Weißhaarige.
    Das Schwert, das er in der Hand hielt, steckte er geschickt in die Scheide auf seinem Rücken. Er trat an den Schanktisch, ohne den am Boden liegenden Leichnam eines Blickes zu würdigen. Der Wirt kroch in sich zusammen.
    »Die schlechten Menschen  ...«, sagte der Weißhaarige heiser. »Die schlechten Menschen sind tot. Wenn der Büttel kommt, kann sich erweisen, dass ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt ist. Er soll damit machen, was er für angebracht hält.«
    Der Wirt nickte eifrig.
    »Es könnte auch sein«, fuhr der Weißhaarige nach einer Weile fort, »dass sich die Kumpane oder Freunde dieser schlechten Menschen nach ihrem Los erkundigen. Denen sollst

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