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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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unterscheiden. Sie wusste, wann man es mit einer Diskussion versuchen durfte und wann nicht.
    Als Yennefer endlich die Locken auf ihrer Stirn geordnet hatte, holte sie eine Phiole von grünem Glas aus einer Satteltasche. »Ciri«, sagte sie sanfteren Tones. »Wir reisen geheim. Und die Reise ist noch nicht zu Ende. Darum musst du die Haare unter der Mütze verbergen. In jedem Stadttor gibt es Leute, die dafür bezahlt werden, dass sie die Reisenden eingehend und gründlich beobachten. Verstehst du?«
    »Nein«, erwiderte Ciri dreist und zog dem Rappen der Zauberin die Zügel an. »Du hast dich so herausgeputzt, dass diesen Aufpassern vom Tor die Augen aus dem Kopf fallen werden! Ein schönes Geheimnis!«
    Yennefer lächelte. »Die Stadt, zu deren Toren wir unterwegs sind, ist Gors Velen. Ich brauche mich in Gors Velen nicht zu tarnen, ich würde sagen, eher im Gegenteil. Bei dir ist es etwas anderes. Dich darf niemand in Erinnerung behalten.«
    »Diejenigen, die dich angaffen, werden auch mich bemerken!«
    Die Zauberin entkorkte die Phiole, aus der es nach Stachelbeeren und Flieder roch. Sie steckte den Zeigefinger in die Phiole und tupfte sich etwas von dem Inhalt unter die Augen.
    »Ich glaube kaum«, sagte sie, noch immer geheimnisvoll lächelnd, »dass jemand dich beachten wird.«
     
    Vor der Brücke stand eine lange Reihe von Reitern und Wagen, und unmittelbar vor dem Tor drängten sich die Reisenden und warteten, bis sie mit der Kontrolle an der Reihe wären. Ciri entrüstete sich und begann zu murren, verärgert von der Aussicht auf langes Warten. Yennefer jedoch richtete sich im Sattel auf und ritt im Trab los, wobei sie hoch über die Köpfe der Reisenden hinwegblickte – die wiederum traten rasch beiseite, machten Platz, verbeugten sich ehrerbietig. Die Wächter in den langen Kettenhemden hatten die Zauberin ebenfalls erblickt und machten ihr den Weg frei, ohne die Lanzenschäfte zu schonen, mit denen sie starrsinnige oder zu langsame Leute wegdrängten.
    »Hierher, hierher, edle Dame!«, rief einer der Wächter, der Yennefer anstarrte und blass wurde. »Kommt hier herein, bitte schön! Beiseitetreten! Beiseite, ihr Flegel!«
    Der eilends herbeigerufene Wachführer lehnte sich aus der Wachstube, finster und wütend, doch beim Anblick von Yennefer hellte sich seine Miene auf, er riss Mund und Augen auf, verneigte sich tief. »Ich heiße dich untertänigst in Gors Velen willkommen, erlauchte Herrin«, stammelte er, während er sich wieder aufrichtete und weiterglotzte. »Zu deinen Diensten  ... Steht es in meiner Macht, der edlen Dame dienstbar zu sein? Soll ich eine Eskorte geben? Einen Führer? Vielleicht jemanden herbeirufen?«
    »Nicht nötig.« Yennefer reckte sich im Sattel, schaute von oben auf ihn herab. »Ich bleibe nur kurz in der Stadt. Ich reise nach Thanedd.«
    »Versteht sich.« Der Soldat trat von einem Fuß auf den anderen, ohne den Blick vom Gesicht der Zauberin zu wenden. Die übrigen Wächter glotzten ebenfalls. Ciri straffte sich stolz und warf den Kopf zurück, stellte jedoch fest, dass niemand sie anschaute. Als wäre sie überhaupt nicht vorhanden.
    »Versteht sich«, wiederholte der Wachführer. »Nach Thanedd, ja  ... Zur Zusammenkunft. Ich verstehe, versteht sich. Dann wünsche ich also  ...«
    »Danke.« Die Zauberin trieb das Pferd an, offensichtlich nicht neugierig, was ihr der Wachhabende wünschen wollte. Ciri folgte ihr eilig. Die Wächter verbeugten sich vor der vorüberreitendenYennefer, Ciri würdigten sie weiterhin keines Blickes.
    »Er hat dich nicht einmal nach dem Namen gefragt!«, murmelte sie, als sie Yennefer eingeholt hatte und das Pferd vorsichtig zwischen den im Straßenmorast ausgefahrenen Wagenspuren lenkte. »Und auch nicht, woher wir kommen! Hast du sie verzaubert?«
    »Nicht sie. Mich.«
    Die Zauberin wandte sich um, und Ciri stöhnte laut auf. Yennefers Augen verströmten veilchenblauen Glanz, und das Gesicht strahlte vor Schönheit. Blendender. Herausfordernder. Bedrohlicher. Und unnatürlicher.
    »Die grüne Phiole!«, erriet Ciri sogleich. »Was war das?«
    »Glamarye. Ein Elixier oder genauer eine Salbe für besondere Gelegenheiten. Ciri, musst du durch jede Pfütze auf dem Weg reiten?«
    »Ich will dem Pferd die Fesseln waschen!«
    »Es hat seit einem Monat nicht geregnet. Das sind Abwässer und Pferdepisse, kein Wasser.«
    »Aha  ... Sag mir, warum hast du dieses Elixier verwendet? War dir so viel daran gelegen  ...«
    »Das ist Gors

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