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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Zauberin lächelte. »Du hältst dich auch nicht übel, Giancardi.«
    »Ja freilich. Bitte, bitte zu mir ins Kontor. Aber nein, nein, die Dame zuerst. Du kennst doch den Weg, Yennefer.«
    Das Kontor war abgedunkelt und angenehm kühl, in der Luft hing ein Geruch, dessen sich Ciri vom Turm des Schreibers Jarre her erinnerte – der Geruch von Tinte, Pergament und von dem Staub, der die Eichenmöbel, Gobelins und alten Bücher bedeckte.
    »Setzt euch bitte.« Der Bankier rückte für Yennefer einen schweren Sessel vom Tisch ab, ließ einen neugierigen Blick über Ciri schweifen. »Hmm  ...«
    »Gib ihr irgendein Buch, Molnar«, sagte die Zauberin, die den Blick bemerkt hatte, beiläufig. »Sie liebt Bücher über alles. Sie wird sich ans Ende des Tisches setzen und nicht stören. Nicht wahr, Ciri?«
    Ciri hielt es nicht für angebracht, das zu bestätigen.
    »Ein Buch, hm, hm«, sagte der Zwerg bekümmert und trat an eine Kommode. »Was haben wir hier? Ah, das Buch der Ein- und Ausgänge  ... Nein, das ist es nicht. Zölle und Hafengebühren  ... Auch nicht. Kredit und Rembours? Nein. Oh, wie kommt denn das hierher? Weiß der Teufel  ... Aber das wird wohl genau richtig sein. Bitte, Fräuleinchen.«
    Das Buch trug den Titel 
Physiologus
, es war sehr alt und sehr abgenutzt. Ciri öffnete es vorsichtig. Das Werk weckte sofort ihr Interesse, denn es handelte von rätselhaften Ungeheuern und Bestien und war voller Stiche. Die nächste Zeit über versuchte sie, ihre Aufmerksamkeit zwischen dem Buch und dem Gespräch der Zauberin mit dem Zwerg zu teilen.
    »Hast du irgendwelche Briefe für mich, Molnar?«
    »Nein.« Der Bankier schenkte Yennefer und sich Wein ein. »Es sind keine neuen gekommen. Den letzten, vor einem Monat, habe ich auf die festgelegte Weise übermittelt.«
    »Ich habe ihn erhalten, danke. Und hat sich vielleicht jemand  ... für diese Briefe interessiert?«
    Molnar Giancardi lächelte. »Hier nicht. Aber du zielst in die richtige Richtung, meine Liebe. Die Bank Vivaldi hat mich vertraulich informiert, dass jemand versucht hat, den Weg der Briefe zu verfolgen. Ihre Filiale in Vengerberg hat auch einen Versuch aufgedeckt, die Operation an deinem privaten Ende zu verfolgen. Einer der Mitarbeiter hat sich als treulos erwiesen.«
    Der Zwerg verstummte, blickte die Zauberin unter buschigen Brauen hervor an. Yennefer schwieg und spielte mit ihrem Obsidianstern.
    »Vivaldi«, fuhr der Bankier mit gesenkter Stimme fort, »konnte oder wollte keine Untersuchung in dieser Angelegenheit durchführen. Der untreue und käufliche Angestellte ist betrunken in den Graben gefallen und ertrunken. Ein Unglücksfall. Schade. Zu schnell, zu übereilt  ...«
    »Der Schaden ist gering und die Trauer kurz.« Die Zauberin verzog den Mund. »Ich weiß, wer sich für meine Briefe und mein Konto interessiert hat, eine Untersuchung bei Vivaldi hätte keine Offenbarungen erbracht.«
    »Wenn du meinst  ...« Giancardi zauste sich den Bart. »Du reist nach Thanedd, Yennefer? Zu dieser allgemeinen Zusammenkunft der Zauberer?«
    »Freilich.«
    »Um über das Schicksal der Welt zu entscheiden?«
    »Wir wollen nicht übertreiben.«
    »Es kursieren allerlei Gerüchte«, sagte der Zwerg trocken. »Und es geschehen allerlei Dinge.«
    »Welche, wenn es kein Geheimnis ist?«
    »Seit vorigem Jahr«, sagte Giancardi und strich sich über den Bart, »sind seltsame Bewegungen in der Steuerpolitik zu beobachten  ... Ich weiß, dich interessiert das nicht  ...«
    »Sprich.«
    »Die Kopfsteuer und das Winterquartiergeld sind verdoppelt worden, die von den Armeeführern direkt eingezogenen Steuern. Alle Kaufleute und Unternehmer müssen zusätzlich an den königlichen Schatz einen ›Zehntgroschen‹ zahlen, eine völlig neue Steuer, einen Groschen von jedem Nobel Umsatz. Zwerge, Gnomen, Elfen und Halblinge zahlen darüber hinaus erhöhte Kopf- und Herdsteuern. Wenn sie einer Handelstätigkeit oder einem Produktionsgewerbe nachgehen, unterliegen sie zudem einer ›Nichtmenschenabgabe‹, die zehn von hundert beträgt. Auf diese Weise liefere ich fast sechzig Prozent des Gewinns beim Schatzamt ab. Meine Bank, alle Filialen eingerechnet, gibt den Vier Königreichen sechshundert Mark Silber pro Jahr. Dir zur Kenntnis: Das ist fast das Dreifache von dem, was ein reicher Herzog oder Graf an Zins von einem ausgedehnten Kammergut bezahlt.«
    »Menschen werden mit der Abgabe für die Armee nicht belastet?«
    »Nein. Sie zahlen nur

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