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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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gefährlich!«
    In dem Käfig, der ihr sichtlich zu eng war, lag eine zusammengerollte Echse, von dunklen Schuppen mit seltsamer Zeichnung bedeckt. Als der Pockennarbige mit der Stange gegen den Käfig schlug, regte sich das Reptil, schurrte mit den Schuppen über die Gitterstäbe, reckte den langen Hals und begann durchdringend zu zischen, wobei es spitze weiße, kegelförmige Zähne sehen ließ, die sich stark gegen die fast schwarzen Schuppen rund ums Maul abhoben. Die Zuschauer stöhnten laut. Ein struppiges Hündchen auf den Armen einer Frau, anscheinend einer Verkäuferin, begann durchdringend zu jaulen.
    »Passt gut auf, ihr guten Leute«, rief der Pockennarbige. »Und seid froh, dass in unserer Weltgegend keine solchen Untiere leben! Das ist ein grauenhafter Basilisk aus dem fernen Serrikanien! Geht nicht näher heran, geht nicht näher, denn obwohl er im Käfig eingesperrt ist, kann er euch schon mit seinem Atem vergiften!«
    Ciri und Fabio hatten sich endlich durch den Ring von Zuschauern nach vorn gearbeitet.
    »Der Basilisk«, fuhr der Pockennarbige auf dem Podest fort, wobei er sich auf die Stange stützte wie ein Wachsoldat auf die Hellebarde, »ist die giftigste Bestie der Welt! Denn der Basilisk ist der König aller Schlangen! Wenn es mehr Basilisken gäbe, wäre diese Welt rettungslos verloren! Zum Glück ist das ein sehr seltenes Ungeheuer, denn es schlüpft aus einem Ei, welches ein Hahn gelegt hat. Und ihr wisst ja selber, ihr Leute, dass nicht jeder Hahn Eier legt, sondern nur ein Mistkerl, der wie eine Henne seinen Sterz einem anderen Hahn hinhält.«
    Die Zuschauer reagierten mit einmütigem Gelächter auf diesen vorder- oder vielleicht eher hintergründigen Scherz. Nur Ciri lachte nicht, sie beobachtete die ganze Zeit aufmerksam das Geschöpf, das sich, von dem Lärm gereizt, wand, gegen die Gitterstäbe stieß und in sie biss, wobei es in der Enge vergeblich versuchte, die verletzten Flughäute zu entfalten.
    »Das Ei, das solch ein Hahn gelegt hat, muss von hundertundeiner Giftschlange ausgebrütet werden! Und wenn aus dem Ei der Basilisk schlüpft  ...«
    »Das ist kein Basilisk«, stellte Ciri fest und biss in die Bergamotte.
    Der Pockennarbige warf ihr einen scheelen Blick zu. »...  wenn der Basilisk schlüpft, sage ich«, fuhr er fort, »dann frisst er alle Schlangen im Nest und verschluckt ihr Gift, doch es tut ihm gar keinen Schaden. Er selber aber füllt sich so mit Gift, dass er nicht nur mit dem Zahn töten kann, nicht einmal mit einer Berührung, sondern allein schon mit dem Atem! Und wenn ein Ritter zu Pferde es wagt und den Basilisken mit der Lanze durchbohrt, dann schießt das Gift den Schaft entlang und tötet augenblicklich zugleich Pferd und Ritter!«
    »Das ist eine unwahre Unwahrheit«, sagte Ciri laut und spuckte einen Kern aus.
    »Die allerwahrste Wahrheit!«, widersprach der Pockennarbige. »Er tötet sie, das Pferd und den Reiter!«
    »Von wegen!«
    »Still, Fräuleinchen!«, rief die Verkäuferin mit dem Hündchen. »Stör nicht! Wir wollen gucken und hören!«
    »Ciri, hör auf«, flüsterte Fabio und stieß sie in die Seite. Ciri fauchte ihn an und langte in das Körbchen nach der nächsten Birne.
    »Vor dem Basilisken« – der Pockennarbige hob die Stimme, um den im Publikum aufkommenden Lärm zu übertönen  –, »sucht jedes Tier das Weite, sobald es nur sein Zischen hört. Jedes Tier, sogar ein Drache, was sage ich, sogar ein Krokodil, und ein Krokodil ist unglaublich schrecklich, wer eins gesehen hat, weiß das. Nur ein Tier fürchtet den Basilisken nicht, und das ist der Marder. Der Marder, wenn er das Ungeheuer in der Wüste sieht, rennt so schnell er kann in den Wald, dort sucht er ein Kraut, das er allein kennt, und frisst es. Dann schadet das Gift des Basilisken dem Marder nicht mehr, und er kann den Basilisken totbeißen.«
    Ciri brach in Gelächter aus und imitierte mit den Lippen ein anhaltendes, überaus unanständiges Geräusch.
    »He, Schlaubergerin!« Der Pockennarbige verlor die Geduld. »Wenn dir etwas nicht passt, dann geh raus! Niemand zwingt dich, zuzuhören und den Basilisken anzuschauen!«
    »Das ist überhaupt kein Basilisk.«
    »Ach so? Und was ist es dann, Fräulein Schlaubergerin?«
    »Eine Wiewerne«, stellte Ciri fest, warf den Birnengriebs fort und leckte sich die Finger ab. »Eine gewöhnliche Wiewerne. Jung, nicht besonders groß, ausgehungert und schmutzig. Aber eine Wiewerne, weiter nichts. In der Älteren Rede:

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