Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
zahlreichen Freiwilligen verstärkt, begannen, durch die Menge zu gehen und sich umzusehen.
    Ciri zwang sich, nicht zurückzuschauen. »Fabio«, flüsterte sie. »Wir wollen uns trennen. Wir treffen uns gleich in dieser Straße wieder, durch die wir gekommen sind. Geh. Und wenn dich jemand anhält und nach mir fragt, dann kennst du mich nicht.«
    »Aber  ... Ciri  ...«
    »Geh!«
    Sie nahm Yennefers Amulett fest in die Hand und murmelte den Aktivierungsspruch. Der Zauber wirkte augenblicklich, und es war auch höchste Zeit. Die Wächter, die sich schon in ihre Richtung durchdrängelten, blieben desorientiert stehen.
    »Was’n jetzt los?«, wunderte sich einer von ihnen, während er Ciri geradewegs anzuschauen schien. »Wo ist sie? Grad eben hab ich sie gesehn  ...«
    »Dort, dort!«, schrie ein anderer und zeigte in die entgegengesetzte Richtung.
    Ciri wandte sich ab und ging fort, noch immer ein wenig benommen und geschwächt von dem Adrenalinstoß und von der Aktivierung des Amuletts. Das Amulett wirkte so, wie es wirken sollte – absolut niemand bemerkte und beachtete sie. Absolut niemand. Daher wurde sie, ehe sie aus der Menge heraus war, zahllose Male angerempelt, getreten und gestoßen. Wie durch ein Wunder entging sie einer Kiste, die von einem Wagen geworfen wurde. Um ein Haar hätte man ihr mit einer Gabel ein Auge ausgestochen. Wie sich zeigte, hatten Zaubersprüche ihre guten und schlechten Seiten – und brachten ebenso viele Vor- wie Nachteile.
    Die Wirkung des Amuletts hielt nicht lange vor. Ciri hatte nicht genug Kraft, um es zu beherrschen und die Wirkungsdauer des Spruchs zu verlängern. Zum Glück hörte der Zauber im richtigen Augenblick auf zu wirken – als sie aus der Menge heraus war und Fabio erblickte, der in der Straße auf sie wartete.
    »Oje«, sagte der Bursche. »Oje, Ciri. Da bist du. Ich habe mir Sorgen gemacht  ...«
    »Ganz unnötig. Gehen wir, schnell. Der Mittag ist schon vorüber, ich muss zurückkehren.«
    »Mit diesem Ungeheuer bist du nicht übel fertig geworden.« Der Bursche schaute sie staunend an. »Du hast dich vielleicht schnell gedreht! Wo hast du das gelernt?«
    »Was? Die Wiewerne hat der Knappe getötet.«
    »Das stimmt nicht. Ich habe gesehen  ...«
    »Nichts hast du gesehen! Ich bitte dich, Fabio, zu niemandem ein Wort. Zu niemandem. Besonders nicht zu Frau Yennefer. Oje, die würde mir zusetzen, wenn sie erführe  ...«
    Sie verstummte.
    »Die dort« – sie zeigte hinter sich zum Markt hin – »hatten recht. Ich war es, die die Wiewerne gereizt hat  ... Es war meinetwegen  ...«
    »Nicht deinetwegen«, widersprach Fabio voll Überzeugung. »Der Käfig war aufs Geratewohl zusammengezimmert. Er hätte jeden Augenblick aufbrechen können, in einer Stunde, morgen, übermorgen  ... Es ist besser, dass es jetzt passiert ist, denn du hast uns gerettet  ...«
    »Der Knappe war das!«, schrie Ciri. »Der Knappe! Schreib dir das endlich hinter die Ohren! Ich sag dir, wenn du mich verrätst, verwandle ich dich in  ... in etwas Grässliches! Ich kenne Zaubersprüche! Ich verzaubere dich  ...«
    »Na, na«, ertönte es hinter ihrem Rücken. »Das reicht jetzt aber!«
    Eine der Frauen, die hinter ihnen gingen, hatte dunkle, glatt frisierte Haare, funkelnde Augen und schmale Lippen. Sie trug einen über die Schultern geworfenen kurzen Mantel aus violettem Seidenstoff, der mit Feh abgesetzt war.
    »Warum bist du nicht in der Schule, Adeptin?«, fragte sie mit kalter, klingender Stimme, während sie Ciri mit durchdringendem Blick maß.
    »Warte, Tissaia«, sagte die andere Frau, die jünger war, blond und hochgewachsen und ein grünes, stark dekolletiertes Kleid trug. »Ich kenne sie nicht. Sie ist anscheinend keine  ...«
    »Ist sie«, fiel ihr die Dunkelhaarige ins Wort. »Ich bin mir sicher, dass das eins von deinen Mädchen ist, die während des Durcheinanders beim Wechsel der Wohnungen aus Loxia ausgebüxt sind. Und gleich wird sie uns das selbst gestehen. Also, Adeptin, ich warte.«
    »Was?« Ciri runzelte die Stirn.
    Die Frau presste die schmalen Lippen zusammen, rückte die Manschetten ihrer Ärmel zurecht. »Wem hast du das Tarnamulett gestohlen? Oder hat es dir vielleicht jemand gegeben?«
    »Was?«
    »Stell meine Geduld nicht auf die Probe, Adeptin. Deinen Namen, die Klasse, den Namen der Klassenlehrerin. Rasch!«
    »Was?«
    »Stellst du dich dumm, Adeptin? Den Namen! Wie heißt du?«
    Ciri biss die Zähne zusammen, und in ihren Augen

Weitere Kostenlose Bücher